Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
warst unglaublich«, japste er, als er mich wieder abgestellt hatte. »Ganz ehrlich. Ich mochte dieses ganze ›Generation Y, alle oberflächliche Idioten und wollen nur berühmt werden, und Gott steh uns bei, wenn es einen Krieg gibt‹ nicht, und ich war richtig sauer, als du schon wieder mit diesen Marken-T-Shirts anfingst, aber dann hast du diese komplette 180-Grad-Drehunghingelegt, wie keiner es wagen sollte zu versuchen, uns in die Ecke zu stellen, und wie wir den Kapitalismus umstürzen werden, und ich bin vor Rührung sogar ein kleines bisschen sprachlos geworden.«
»Wirklich?«, fragte ich zweifelnd. »Weil das eigentlich nicht ganz das war, was ich gesagt habe.«
»Ganz ehrlich. Und hey, weißt du, was …«
Michael schnappte sich meine Hände und schüttelte sie ein bisschen, und in dem Moment hatte ich meine Konferenz-Angst überwunden. Sein Enthusiasmus, sein Überschwang und seine totale Anerkennung waren irgendwie so ansteckend wie Läuseeier, und ich lächelte jetzt auch und schlang meine Finger um seine. »Ich weiß nicht. Was denn?«
»Ich war auch dabei. Ich verließ die Schule und ging auf die Demo! Ich meine, ich hatte schon vorher darüber nachgedacht, aber ich hatte nicht den Mut, aber als ich die ganze 11. Klasse den Korridor heruntermarschieren sah, verließ ich einfach den Matheunterricht und die halbe Klasse folgte mir.« Michael strahlte. »Ich habe mich immer gefragt, wie es dazu gekommen ist, dass wir uns alle plötzlich dafür entschieden, zu der Demonstration zu gehen, dabei hätte ich wissen müssen, dass du dahinterstecktest. Die ganze Aktion trug absolut deine Handschrift.«
»Um ehrlich zu sein, ich glaube, es war mehr so eine Art Massenhysterie-Ding, wie …«
»Oh, also bitte, du weißt doch, dass Bescheidenheit dir nicht steht«, schnaubte Michael. »Wie auch immer, es war jedenfalls fantastisch. Irgendwann ließ mich jemand in ein Megafon brüllen. Das war die beste Erfahrung meines Lebens; zu spüren, dass man selbst seine eigene Zukunft bestimmt, verstehst du?«
Ich verstand es und dann umarmte Michael mich noch einmal, ganz fest. »Als du da oben auf der Bühne standest«, flüsterte er mir ins Ohr, »war ich so stolz auf dich, dass ich hätte platzen können.«
»Das wäre aber eine ganz schöne Sauerei gewesen«, antwortete ich oder vielmehr presste ich es hervor, weil ich plötzlich diesen Riesenklumpen im Hals hatte. Ich konnte mir nicht erklären, warum es mir so viel mehr bedeutete, dass Michael stolz auf mich war, als alle Standing Ovations des Publikums oder als die Frage des New York Times -Herausgebers, ob die Zeitung meine Präsentation wörtlich zitieren dürfe, oder als John-Paul und Oona, die sofort meine Verfügbarkeit für eine Konferenz in Tokio checken wollten. Tokio! Aber Michael war stolz auf mich, und er konnte nicht aufhören, mich anzustrahlen, und hielt immer noch meine Hand, und nichts schien sonst wichtig zu sein. Bis auf eine Sache. »Hör mal, es tut mir leid, dass ich heute Morgen so eklig zu dir war.«
Michael nickte. »Du gibst also zu, dass du vielleicht ein wenig nervös warst?«
Meine harte Hülle war bei all dem ausgedehnten Händchenhalten schon zu Bruch gegangen, aber hier ging es ums Prinzip. »Nein, ich war nicht nervös. Ich war gestresst.«
»Was auch immer . Das ist doch dasselbe.«
»Das ist es nicht. Gestresst zu sein, fühlt sich ganz anders an als Nervosität. Aber egal, es tut mir auf jeden Fall sehr leid, und es tut mir auch jetzt schon leid, dass ich dich noch mit in eine der Bars oben auf die After-Conference-Party zerren muss. Wahrscheinlich wird das ein totaler Flop, aber wir können uns ja nach einer Stunde verdrücken.«
Michael grinste. »Drinks umsonst und was zu essen in irgendeiner protzigen Bar mit massenweise Hipsters, über die wir uns lustig machen können? Ich bin total dabei.«
Drei Stunden später saßen wir auf einer Lederbank in einer Ecke der Bar, die eigentlich ein verglaster Garten war. Sie hatte einen Schieferboden, schmiedeeiserne, schwarz, blau und lila gestrichene Stühle und wurde von großen roten Lampen erleuchtet, die von der Decke baumelten.
Ich hatte meine Stiefel abgeschüttelt, damit ich meine Beine unterschlagen konnte, und entdeckt, dass Muscheln in japanischem Schinken mein neues Lieblingsgericht waren. Ich spülte sie mit einem Cocktail herunter, der Peachy Lychee hieß und der angeblich Wodka enthielt – nicht, dass ich ihn herausgeschmeckt hätte, Pfirsichschnaps und
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