Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
der Tür stand. »Die New York Times «, krächzte sie, als sei sie ein hartgesottener Vierzig-am-Tag-Kettenraucher. »Haben sie die New York Times ?«
Da sie das Essen bezahlte, na ja, eigentlich alles bezahlte, war das Mindeste, was ich tun konnte, aufzustehen und ihr die Zeitung zu holen.
Sie riss sie mir aus der Hand, ohne auch nur Danke zu sagen, und fing an, sich durch die Seiten zu wühlen. »Langweilig. Langweilig. Ökonomische Rezession. Allgemeines Gesundheitswesen. Bla, bla und nochmals bla. Ach du Scheiße! Ich glaube es nicht! Kneif mich mal.«
Das klang verführerisch, aber ich lehnte mich hinüber und versuchte, die Zeitung falsch herum zu entziffern. Das war nicht schwer, denn sogar auf dem Kopf war das große Foto von Jeane, das auf der Bühne gemacht worden war, sofort zu erkennen.
»Smells Like Jeane Spirit«, las ich die Überschrift laut vor. »Treffen Sie den englischen Teenager, der Dorkiness in ein Lifestyle-Label verwandelte.«
Jeane blinzelte langsam und legte ihre Hände auf die Wangen, die leuchtend rot glühten. »Wow«, sagte sie. »Oh. Wow. Ich hatte ihnen zwar gleich nach der Konferenz meine Rede gemailt, aber ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass sie den Artikel schon so bald bringen würden. Oder dass sie die Sache als völlig eigenständige Beilage herausgeben würden. Ich werd’ verrückt, ist das krass!«
»Die New York Times «, sagte ich gedehnt. Ich freute mich für sie. Das tat ich wirklich, aber irgendwie brachte ich meine Stimme nicht dazu, auch so zu klingen. »Also, ist das eine richtig große Sache?«
»Die größte!« Jeane starrte völlig verzückt das Foto von sich an, so als hätte sie noch nie ihr eigenes Gesicht gesehen. »Das hier ist ein Quantensprung. Ich erreiche ein völlig neues Level.«
Ich wusste noch nicht mal, was das heißen sollte. Es klang genau wie die Scheiße, die die Leute in The Apprentice immer sagten, kurz bevor sie gefeuert wurden, aber Jeane wartete auch gar nicht auf eine Antwort von mir, sondern fuhr mit dem Finger über die Seite, und erst, als jemand an unseren Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen, löste sie widerwillig ihren Blick und ließ sich dazu herab, auf die Menükarte zu gucken.
In der nächsten halben Stunde sagte sie nicht ein einziges Wort zu mir. Ich hatte überhaupt nicht gewusst, dass sie so lange schweigen konnte. Sie saß einfach nur da in ihren karierten Golfshorts, einem Thundercats -T-Shirt und einer orangefarbenen Strickjacke und mampfte sich, statt ein ganz normales Frühstück zu essen, durch ein Baguette, auf dem sich Berge von Frischkäse und Nutella häuften, während sie gleichzeitig ihre zahlreichen Mails beantwortete.
Ich hatte aufgehört zu existieren. Ich fing gerade an, mich zu fragen, ob ich wirklich unsichtbar geworden war, als plötzlich mein Telefon klingelte. Zum Glück gab es also doch noch Leute, die mit mir reden wollten – auch wenn es sich in diesem Fall bei der Person um meine Mutter handelte.
Um ehrlich zu sein, es war eine Erleichterung für mich, dass ich jetzt eine Entschuldigung dafür hatte, den Tisch zu verlassen. Es gab zu viele amerikanische Akzente in Hörweite, sodass ich den Anruf nur draußen annehmen konnte.
»Ich bin in fünf Minuten wieder zurück«, sagte ich zu Jeane, die nicht aufsah oder nickte oder mir in irgendeiner Weise sonst zu verstehen gab, dass sie zumindest ahnte, dass ich auch noch da war.
29
Als Michael plötzlich aufstand und einfach rausging, konnte ich es kaum glauben. Dies hier war der größte Tag meines Lebens. Das Großartigste, was mir jemals passiert war – und ich hatte das Glück gehabt, dass mir in den letzten zwei Jahren schon einige großartige Sachen passiert waren, aber das hier war mit Abstand das Großartigste. Es war total Er STAUN lich, und Michael war noch nicht mal in der Lage, »Super gemacht« oder »Hey, herzlichen Glückwunsch!« zu sagen.
Seit wir in Greenpoint angekommen waren, war er in einer seltsamen Stimmung gewesen. Vielleicht weil er lieber in Manhattan geblieben wäre und gerne einen blöden und touristenmäßigen Brunch gehabt hätte, vielleicht im Four Seasons oder so, was weiß ich. Aber er hatte seinen Touristenspaß an unserem ersten Abend in New York gehabt, und gestern war ich so gestresst gewesen wie noch nie zuvor, also wollte ich heute unbedingt einen halben Tag durch Brooklyn scouten, um interessant aussehende Menschen zu fotografieren und die Vintage-Shops zu checken, also wo war das
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