Adorkable - Zwei, die sich hassen und lieben
reagierte Michael überhaupt nicht auf das, was ich sagte. Ich entschied, dass wir fertig waren, nahm mein Strickzeug wieder auf und begann, meine Maschen zurückzuverfolgen.
»Hör mal, ich habe nur versucht, freundlich zu sein«, sagte er plötzlich.
»Ist das Teil irgendeines schwachsinnigen Schülermitverwaltungs- PR -Programms?«
»Es ist komisch, aber langsam beginne ich zu verstehen, worum es in dieser Sache zwischen Barney und Scarlett geht«, bemerkte Michael beiläufig. Dann hatte er den Nerv, sich auch noch direkt neben mich an die Wand zu setzen. Ich versuchte, ihn zu ignorieren. »Wenn ich dein Freund wäre, würde ich auch nach der nächsten Ausstiegsmöglichkeit suchen.«
»Und wenn ich das unglaubliche Pech hätte, dass du mein Freund wärst, wäre es Teil meiner Ausstiegsstrategie, in den Gegenverkehr zu laufen«, blaffte ich zurück. »Also, warum gehst du nicht und teilst deine paranoiden kleinen Wahnvorstellungen mit jemandem, der sich dafür interessiert?«
Michael sprang von der Wand auf und rempelte mich dabei so an, dass ich weitere zwanzig Maschen verlor, und murmelte flüsternd etwas, das so klang wie das Wort »Zicke«, aber zehnmal wiederholt, sehr schnell. Ich legte mein ungerührtestes Lächeln auf, weil ich wusste, dass ihn das noch mehr provozieren würde, obwohl ich nicht hätte sagen können, warum das Bedürfnis, Michael Lee voll auf die Nerven zu gehen, so plötzlich zur Berufung meines Lebens geworden war.
Ich sah ihm nach, wie er über das armselige Stückchen Gras lief, auf dem die Kiffer öfter saßen, und als er bei den Mülltonnen um die Ecke gebogen war, stand ich auf, stopfte mein Strickzeug und meinen iPod in meine Tasche und marschierte zum Englischunterricht.
Scarlett saß hinten, zusammen mit ihrem kleinen Trüppchen von Freundinnen. Sie hielten sich alle für was ganz Besonderes, weil sie sich ihre Klamotten bei American Apparel kauften und sogar unter der Woche auf Konzerte gingen. Sie waren nicht grundsätzlich böse, aber sie redeten eine Menge Müll für vier Mädchen, die exakt die gleichen Klamotten trugen, exakt die gleiche Musik hörten und exakt die gleiche Meinung zu allem hatten.Von Scarlett einmal abgesehen – sie würde eine Meinung noch nicht mal erkennen, wenn sie nebenan einzog und den ganzen Tag Death Metal hörte.
Ich saß immer vorne, weil ich immer zu spät kam. Außerdem hatte man so die Lehrer besser unter Kontrolle und konnte sie lautstark ausschimpfen, wenn sie versuchten, uns zusätzliche Hausaufgaben aufzubrummen. Als ich den Stuhl an meinem Tisch vorzog, sorgte ich dafür, dass Scarlett mich ansah, und warf ihr meinen gleichgültigsten Blick zu. Das wirkte immer besser, als jemanden fies anzublitzen – es ließ den anderen wissen, dass er nicht einmal die Mühe wert war, die es kostete, die Gesichtsmuskulatur für ihn in Bewegung zu setzen, um die Nase zu rümpfen.
Scarlett wurde so rot wie ihr bescheuerter Name und schüttelte den Kopf, sodass ihr Haar ihr ins Gesicht fiel (eine Bewegung, die sie nur von Barney gelernt haben konnte), als Miss Ferguson die Klassentür schloss, uns alle strahlend anlächelte und verkündete, dass wir heute über die beiden Romane diskutieren würden, die wir gerade durchnahmen: The Great Gatsby und The Fountainhead .
Ein allgemeines Stöhnen ging durch den Raum, während ich mein iPhone aus der Tasche holte. Die Chancen für eine schlüssige literarische Debatte waren eher gering, und wenn ich meine Bücher entsprechend auf dem Tisch arrangierte, konnte ich vielleicht ein bisschen twittern, ohne dass jemand etwas bemerkte. Miss Ferguson war zwar cool, aber so cool dann auch wieder nicht.
Das Geschnatter schwirrte um mich herum. Es war keine Diskussion, sondern nur ein Wiederaufwärmen der Plots beider Bücher, obwohl ich auch jemanden schneidend sagen hörte: »Also diese Daisy Miller, die war wirklich sehr eingebildet.«
Das war schon fast einen Tweet wert, aber ich folgte einem ungeschriebenen Gesetz, dass ich niemals jemanden im Internet schlechtmachte, den ich im wirklichen Leben kannte. Wir hatten auch in der Klasse ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Meinung eines jeden es verdiente, gehört zu werden, egal wie idiotisch und aus der Luft gegriffen sie auch war.
»Also, Scarlett, welches Buch gefiel dir denn am besten?«, fragte Miss Ferguson sanft. Alle Lehrer behandelten sie wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe.
Aus dem hinteren Teil des Raumes kam ein hingehauchtes Flüstern, wie ein
Weitere Kostenlose Bücher