Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
brüllt: »Scheiße!« und stöhnt, als würde er zusammenklappen. Dann kommt seine Stimme wieder näher: »Ben hat was gesagt, als er vollgedröhnt war. Ich dachte immer, er hätte mehr Bilder als die, die er mir gezeigt hat. Als Lebensversicherung, um sich zu schützen. Ben sagte, ich soll seine Vögel nach den Bildern fragen. Er hatte zwei Kakadus, aber ich hab nur gehört, dass sie alberne Zeilen aus Filmen plappern. Hab ihre Käfige durchsucht und konnte nichts finden. Verflucht, sie kommen näher, ich muss abschalten. Ich liebe dich, Mann, aber du hast dir einen beschissenen Zeitpunkt ausgesucht, um dich zu verspäten …«
Die elektrische Stille im Kopfhörer wird durch ein leeres Zischen beendet.
Mir zittern die Hände, und mein Herz pocht, als hätte sich die Verfolgungsjagd gerade eben erst abgespielt und als säße ich bei Tim im Auto, statt zwei Tage nach seiner Ermordung seiner Geisterstimme zu lauschen. Die Erkenntnis, dass Tim wahrscheinlich starb, weil ich mich um dreißig Minuten verspätet hatte, lässt mich schwindelig werden. Ein Dröhnen ist in meinen Ohren, während mir eine unendliche Reihe von »Was wäre gewesen, wenn …« durch den Kopf schießt.
»Ich kann nicht glauben, dass ich über seinen Tod geschrieben habe«, sagt Caitlin benommen. »Es war genau das, was die Mörder von mir wollten, nicht wahr?« Sie weint selten, aber nun hat sie Tränen in den Augen. Hinter diesen Tränen lodern Wut und gekränkte Eitelkeit. Niemand lässt sich gerne zum Narren halten. »Ich werde Golden Parachute vernichten«, gelobt sie. »Ich mach sie fertig, ich schwöre es.« Sie blickt mich an. »Was bedeuten die Anhaltspunkte, die Tim dir gegeben hat? Weißt du, wo die DVD ist?«
Im Strudel meiner Schuldgefühle flackern Kindheitserinnerungen wie Bojen, die durch einen dichten Regen sichtbar werden. »Noch nicht … ich muss noch darüber nachdenken.«
»Es könnten Passwörter sein.«
»Möglich. ›Gesprengte Ketten‹ ist ein Film. Tim und ich waren Kinder, als er in die Kinos kam.« Ich hasche nach Bildern, die wie Blätter in einer wirbelnden Strömung davontreiben. »Und dann sagte er noch was von ›Hundemeute‹ und davon, dass irgendwelche Vögel Zitate aus Filmen wiederholen könnten.«
»Könnte ›Hundemeute‹ mit den Hundekämpfen zu tun haben?«, fragt sie.
»Sag eine Weile nichts«, bitte ich sie. »Ich muss nachdenken.«
Ich versuche, Verbindungen herzustellen, aber meine Erinnerungen sind verschwommen wie alte, vergilbte Fotos, von schlechter Qualität und vom Alter verblasst. Viele beziehen sich auf Fahrradtouren oder das Spiel »Steal the Flag«, doch was die Hundemeute angeht …
»Mein Gott, ja!«, bricht es dann aus mir hervor, als mir die Bedeutung des zweiten Hinweises klar wird.
Caitlin packt meinen Arm. »Was ist?«
»Ich kann nicht glauben, dass ich so dumm war.«
»Was? Weißt du, was es bedeutet?«
»Ja.« Ich strecke die Hand nach dem Türgriff aus. »Komm!«
»Wohin?«
»Zum Friedhof. Dort ist es von Anfang an gewesen!«
»Ich dachte, du hättest den Friedhof schon abgesucht.«
»Habe ich auch. Aber er ist riesig. Jetzt weiß ich, wo ich nachsehen muss.«
Irgendetwas vibriert in meiner Tasche. Es ist nicht mein Handy, sondern Kellys Star Trek. »Sieh nach, ob die Luft rein ist«, bitte ich Caitlin. Plötzlich bin ich nervös. »Schnell.«
Sie öffnet die Tür und erstarrt.
»Was ist?«, frage ich und versuche, die Pistole aus der Tasche zu ziehen.
»Ich helfe ihm, die Sachen anzuprobieren«, sagt Caitlin verlegen.
»Es ist Sonntag«, zischt eine Frau angewidert. »Hier draußen sind Kinder. Warum nehmen Sie sich nicht einfach ein Zimmer?«
Caitlin schließt die Tür, und ich klicke auf die Sprechtaste an dem Star Trek. »Ich bin’s.«
»Wir haben ein Problem«, sagt Kelly in meinem Ohr.
»Wenn es nicht um Leben und Tod geht, spielt es keine Rolle. Ich glaube, wir sind in der Endphase.«
»Wieso?«
»Nicht über den Äther.«
»Hast du das Gesuchte gefunden?«
»Ich weiß, wo es ist. Kannst du uns bis zum Friedhof Deckung geben?«
»Klar. Bist du jetzt im Warenhaus?«
»Ja.«
»Hast du das Satellitentelefon bei dir?«
»In Caitlins Handtasche.«
»Geh schnurstracks zum Personalbereich, als gehörte dir der Laden. Dann verschwinde durch den Privatausgang. Oder durch einen Notausgang, wenn du keine Wahl hast. Ich warte hinter dem Gebäude. Wenn jemand versucht, dich anzuhalten, dann sag, du bist der verdammte Bürgermeister. Wenn das nicht
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