Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
behandelst ihn genau wie einen Menschen. Und dann begreifst du, dass die Ausbildung nach Lehrbuch einen Dreck bedeutet. Im Feld ist alles anders. Nun versuchst du eine Woche oder zehn Tage lang, deinen Hund zu retten. Du lebst mit ihm und den anderen Männern und ihren Hunden zusammen. Die Soldaten bauen eine seltsame Beziehung zu den Tieren auf. Sie geben ihnen Namen und werden empfindlich, wenn ihr Hund nicht genug Platz hat oder jemand anders das Tier berührt. Natürlich sterben ein paar Hunde. Aber die meisten überleben – diejenigen, die den ursprünglichen Schuss überstanden haben.«
Kelly trinkt einen weiteren Schluck aus seinem Becher.
»Mein Hund bekam eine Blutvergiftung«, sagt er. »Ich gab ihm Antibiotika, aber wahrscheinlich nicht die richtigen. Er lag im Sterben, und die anderen Jungs machten sich über mich lustig. Ich wäre am liebsten aus dem Lager zu einem verdammten Tierarzt gefahren. Aber das konnte ich nicht. Deshalb nahm ich eine Morphiumspritze, als es wirklich schlimm wurde, und schläferte ihn ein. Der Dienst habende Offizier flippte aus. Ich fiel im Hundelabor durch. Aber ich hatte bei den Hardcore-Übungen so gute Ergebnisse erzielt, dass sie mich deshalb nicht rausschmeißen wollten.«
»Und gestern Abend …«
»Gestern Abend, als ich mich über den Pitbull beugte, war ich wieder im Hundelabor. Posttraumatische Belastungsstörung, verursacht durch einen Hund. Ist das kein Witz? Ich habe Menschen getötet, ohne mit der Wimper zu zucken, aber wegen einem Scheißköter verliere ich die Nerven.«
»Das scheint mir ein gutes Zeichen zu sein.«
Kelly schüttelt heftig den Kopf. »So einfach ist das nicht. Wer Hunde liebt, wird dadurch nicht zum Menschenfreund. Hitler liebte Hunde. Er hatte eine Schäferhündin namens Blondi. Und obwohl er sie liebte, ermordete er Millionen von Menschen, darunter geistig Zurückgebliebene und Behinderte. Homo sapiens ist eine versaute Gattung, Penn. Manchmal wünsche ich mir, noch so zu sein wie Caitlin.«
Ich beuge mich vor und drücke sein Knie. »Denk nicht darüber nach. Geh einfach ins Bett.«
»Ich fühle mich hier sehr wohl.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
Als ich die Stufen hinaufsteige, summt mein Handy und zeigt eine SMS an. Zu meiner Überraschung stammt sie von Caitlin: ICH GLAUBE , DU TRIFFST DIE RICHTIGE ENTSCHEIDUNG FÜR ANNIE , EGAL , OB SIE FÜR DICH UND MICH RICHTIG IST . ICH LIEBE DICH .
Auf halber Treppenhöhe bleibe ich stehen und tippe meine Antwort: ICH LIEBE DICH AUCH . HOFFENTLICH SEHEN WIR UNS MORGEN .
Dann gehe ich die Stufen hinauf und falle aufs Bett.
45
C aitlin steht in ihrer Küche, liest Penns SMS und blinzelt gegen die Tränen an. In all der Zeit, die sie mit ihm zusammen war, hat sie nie so sehr gelogen. Am meisten schmerzt sie der Schock über ihren Mangel an Gefühlen. Sie hatte anderthalb Jahre darauf gewartet, dass er die erhoffte Entscheidung traf, doch als sie die Worte heute Abend hörte, kam sie sich verraten vor. Es ergab keinen Sinn, aber so fühlte sie sich.
Sie wischt sich die Augenwinkel und stellt den Gasherd ab. Sie hatte Tee kochen wollen, aber sie möchte auf keinen Fall eine Stunde lang im Bett liegen und über das nachdenken, was gerade geschehen ist. Sie geht durch den Flur zur Treppe und bleibt beim Anblick des Mannes, der auf dem Fußboden ihres Wohnzimmers sitzt, überrascht stehen. Carl Sims schaut mit einem freundlichen Lächeln von einem Exemplar der Shotgun News auf. Neben seinem Knie liegt eine Pistole auf dem Boden, und sein Scharfschützengewehr lehnt an der Wand neben seiner Schulter.
»Alles in Ordnung?«, fragt er. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
»Schon gut. Ich hatte es vergessen. Wo waren Sie, als ich hereinkam?«
»Ich war draußen, als Sie mit Bürgermeister Cage gesprochen haben. Ich meine, ich war nicht so nahe bei Ihnen, dass ich zuhören konnte. Ich wollte Ihnen beiden Deckung geben. Sie wissen schon.«
»Danke, Carl. Es tut mir leid, dass ich hier unten keinen Fernsehapparat für Sie habe.«
»Macht nichts. Für heute Nacht bin ich vorbereitet. Ich habe diese Zeitschrift und einen von Mr. Cages Romanen, wenn ich die News satt habe. Major McDavitt rät mir immer wieder, einen zu lesen, und wahrscheinlich werde ich es heute Nacht versuchen. Taugen sie etwas?«
Caitlin nähert sich dem Fuß der Treppe und bleibt stehen. »Ich glaube schon. Besonders die ersten drei.«
»Der Major meint, Sie könnten in ein oder zwei Büchern auftauchen. Getarnt
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