Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
sozusagen.«
»Ach, ich weiß nicht. Vielleicht Teile von mir.«
Carl lächelt wissend.
»Sie mögen Penn, nicht wahr, Carl?«
Sims schiebt die Unterlippe vor, als müsse er sich die Antwort überlegen. »Sie haben recht. Ja.«
»Warum?«
»Er ist ein Mann, der das Richtige tut, wenn sich eine Möglichkeit dazu bietet.«
»Handeln Sie nicht genauso?«
»Ich versuche es. Aber zu erkennen, was richtig ist, und danach zu handeln, sind zwei verschiedene Dinge.«
»Was ist mit dem, was wir seit einer Woche durchmachen?«
Der Scharfschütze hebt die Schultern. »Das Leben wird immer komplizierter. Aber ich bin sicher, dass es nicht immer die beste Lösung ist, einen Feind von vorn anzugehen. Mr. Cage weiß bestimmt, was er tut – sogar wenn er selbst noch gar keine Ahnung hat, dass er es weiß. Verstehen Sie, was ich meine?«
Caitlin ist überrascht, sich lachen zu hören. »Das könnte sein. Ich bezweifle, dass ich in diesem Fall Ihrer Ansicht bin. Aber ich verstehe Sie.«
Carl betrachtet sie ein paar Sekunden lang und schaut dann zu Boden wie ein Junge, der beim Anstarren eines Mädchens ertappt wird. »Ich wollte Sie nicht aufhalten.«
»Nein, kein Problem. Ich höre mir gern an, was Sie zu sagen haben.«
Er blickt wieder zu ihr auf. »Wissen Sie, was ich glaube? Ich glaube, dass bei Ihnen beiden alles ins Lot kommt. Manchmal dauert es nur ein bisschen länger.«
»Wie alt sind Sie, Carl?«
»Sechsundzwanzig.«
»Sie sehen aus wie dreißig. Und Sie klingen wie sechzig.«
Er lacht herzlich. »Ich wiederhole nur, was mein Daddy mir gesagt hat.«
»Dann lassen Sie uns hoffen, dass er recht hatte.«
»Oh, das ist meistens so. Gute Nacht, Mrs. Cage – hoppla, da habe ich mich versprochen.«
Caitlin lächelt und droht ihm mit dem Finger. »Ich weiß , dass es Absicht war.«
Der Deputy grinst und wendet sich wieder seiner Zeitschrift zu.
»Rufen Sie mich, wenn Sie etwas benötigen, Carl.«
»Und Sie mich. Ich bin derjenige, der Sie bewacht.«
Caitlin lächelt. Sie steigt die lange Treppe hinauf und fragt sich, warum Penns Worte nicht in ihr nachhallen, wie es vor einer Woche der Fall gewesen wäre. In ihrem Schlafzimmer öffnet sie die Kommode und wünscht sich, mehr Kleidung für die Reise gepackt zu haben. Während sie Pullover und Büstenhalter ablegt und sich ein T-Shirt überzieht, kehren ihre Gedanken zu ihrem Gespräch mit Pastor Simpson am Nachmittag zurück. Als sie sich die Haare mit einem Gummiband zurückbindet, hört sie ein Geräusch von unten. Da sie glaubt, dass Carl möglicherweise an die Wand geklopft hat, um ihre Aufmerksamkeit zu wecken, tritt sie an die Tür und steckt den Kopf hinaus.
Eine jähe Bewegung von rechts lässt sie zurückweichen, doch dann senkt sich eine schwarze Kapuze über ihren Kopf. Sie ruft nach Carl, aber jemand zieht eine Schnur fest zu, sodass sie keine Luft mehr bekommt. Mit beiden Händen um sich schlagend, versucht sie, sich loszureißen, doch dann spürt sie am Hals unter dem Kinn einen nadelscharfen Stich wie den einer Wespe. Innerhalb von Sekunden gehorchen ihre Gliedmaßen ihrem Gehirn nicht mehr. Sie versucht erneut, Carls Namen zu rufen, und schreit dann nach Penn. Aber aus ihrem Mund kommt nur ein blubberndes Geräusch wie bei einem Menschen, dessen Kopf unter Wasser gedrückt wird.
46
W alt Garrity steht zwischen der Devil’s Punchbowl und einer Reihe blinkender Spielautomaten. Er nippt an einem Whisky und versucht, Nancy aus dem Weg zu gehen. Seit er sein Manöver bei Sands eingeleitet hat, fühlt er sich angenehm beflügelt, und der Whisky verbessert seine Stimmung noch. Er hat auch gemerkt, dass ihm nicht nur der Fall zu schaffen macht. Das Bild der chinesischen Schönheit, die die Rolltreppe hinunterging, will ihm nicht aus dem Kopf. Den ganzen Abend hält er nach ihr Ausschau. Die Suche ist nicht leicht, denn Nancy scheint seine häufige Abwesenheit nun stärker wahrzunehmen. Bald wird sie ihre Jetons aufgebraucht haben, und Walt wird ein wenig Zeit mit ihr am Craps-Tisch verbringen müssen.
Er stellt sein leeres Glas auf einen Tisch außerhalb der Bar und steuert auf die Hauptrolltreppe zu, die zum Grand Salon führt. In dem Moment, als er nach dem sich bewegenden Geländer greift, öffnet sich in der Wand zu seiner Linken eine verborgene Personaltür, und die chinesische Schönheit, die anscheinend einen seidenen Kimono trägt, tritt hervor. Sie sieht Walt nicht an, doch sie ist weniger als zehn Meter von ihm entfernt und scheint
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