Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
seine Stimme sich Caitlins Tür. »Wie geht’s, Prinzessin?«
»Linda braucht Medikamente!«, erwidert Caitlin. »Sie ist ernsthaft krank.«
»Ich habe ihr Antibiotika gegeben.«
»Die wirken nicht!«
»Dann gebe ich ihr was anderes. Wir wollen doch nicht, dass unsere Party gestört wird, oder?«
»Lass sie in Ruhe, du Mistkerl! Sie quält sich schrecklich!«
»Willst du an ihre Stelle treten, Prinzessin?«
Die Frage klingt so aufrichtig, dass Caitlin für einen Moment schwindelig wird.
»Wie sieht’s aus, Süße? Etwas so Sauberes wie dich hab ich bestimmt noch nie gehabt.«
Caitlin zittert am ganzen Körper. Dann rasselt ein Schlüssel im Schloss von Lindas Käfig, und sie beginnt zu kreischen.
»Lass sie in Ruhe!«, schreit Caitlin.
Quinn kichert. »Ach, das gibt sich gleich, wenn sie erst auf den Geschmack gekommen ist.«
Caitlin presst sich die Hände auf die Ohren, so fest, wie seit ihrer Kindheit nicht mehr.
50
I ch sitze an einem Tisch in einem Nebenzimmer des Castle, ein Restaurant, das Caitlin und ich oft besucht haben, als sie noch hier gewohnt hat. Das Castle ist ein Außengebäude von Dunleith, der schönsten Vorbürgerkriegs-Villa der Stadt. Ich sorge oft dafür, dass Investoren, die einfliegen, um mögliche Industriestandorte zu besichtigen, hier einquartiert werden. Um sie auf das Erlebnis vorzubereiten, teile ich ihnen mit, dass das Hauptgebäude von Dunleith die Villa Tara in »Vom Winde verweht« wie einen Geräteschuppen aussehen lasse. Niemand hat mich je eines Besseren belehrt.
Caitlin und ich haben im Castle gute und schlechte Mahlzeiten zu uns genommen, was nicht an der Qualität der Speisen lag, sondern daran, dass wir an den Tischen dieses Restaurants so viel Höhen und Tiefen unserer Beziehung diskutierten haben. In guten Zeiten aßen wir an dem kleinen Tisch im hinteren Teil des Saales – neben dem Fenster, das auf die Grünanlagen hinausblickt. Waren die Zeiten weniger angenehm, trafen wir uns in dem Privatzimmer, in dem ich auch jetzt warte. Wenn Caitlin erscheint, wird es sie nicht überraschen, mich an diesem Tisch vorzufinden.
Aber es ist bereits zwölf Uhr fünfundzwanzig, und obwohl ich es mir nicht eingestehen will, wird Caitlin wahrscheinlich nicht kommen. Sie verspätet sich hin und wieder, aber nicht an einem Tag wie diesem. Ich kann kaum glauben, dass sie mich hier sitzen lässt, ohne mich anzurufen oder mir wenigstens eine SMS zu schicken. Nach meinen Gesprächen mit Annie glaube ich nicht, dass ich dieses Ereignis – oder Nichtereignis – einfach so abhaken kann, ohne mich zu vergewissern, dass Caitlin nicht durch etwas Unvorhergesehenes aufgehalten wurde.
Ich drücke auf die Kurzwahltaste für ihr Handy, aber sofort schaltet sich die Voicemail ein. Entweder hat Caitlin ihr Telefon abgestellt, um beunruhigende Anrufe von mir zu vermeiden, oder sie ist auf der Fahrt nach Süden und plaudert fröhlich mit Jan über den Dokumentarfilm, den sie bald mit ihm drehen wird.
Kurz entschlossen rufe ich die Examiner -Redaktion an und frage nach Kim Hunter, dem Reporter, der Caitlins bester noch verbliebener Freund in der Redaktion ist. Es dauert einige Zeit, bis Kim ans Telefon kommt.
»Ja?«, sagt eine junge Männerstimme ohne jeden Südstaatenakzent.
»Kim, hier ist Penn Cage.«
»Hallo.«
»Ich bin im Castle, weil ich mich hier mit Caitlin zum Lunch treffen wollte. Wissen Sie etwas darüber?«
»Nein. Sie hat mit mir nicht darüber gesprochen.«
»Sind Sie ihr heute Morgen begegnet?«
»Nein. Ich habe sie seit gestern Nachmittag nicht gesehen. Sie kam rein, um ein paar alte Artikel auszugraben, an denen sie früher gearbeitet hat.«
»Wissen Sie, welche Artikel?«
»Sie hat mal irgendwas über charismatische Bewegungen geschrieben. Fußwäscher, Gesundbeter, so was alles.«
Ob die Artikel mit ihren Interviews in New Orleans zu tun haben, so unwahrscheinlich es ist? »Hat sie Ihnen gegenüber erwähnt, dass sie heute nach New Orleans fahren wollte?«
Diesmal hält das Schweigen länger an, und Hunter klingt unschlüssig. »Sie hat davon gesprochen, dass sie irgendwann dort runterfahren will, um Interviews für einen Dokumentarfilm zu führen.«
»Das weiß ich alles, Kim. Über Jan und so weiter. Bitte verschweigen Sie mir nichts.«
»Moment, bitte. Mike ist besser darüber informiert. Er hat Nachrichten von dem Mann entgegengenommen.«
»Von dem Filmemacher?«
»Genau. Er hat heute Morgen zwei- oder dreimal angerufen. Eine Sekunde.«
Ich höre,
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