Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl

Titel: Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
Vom Netzwerk:
sie hatte kein Anzeichen dafür bemerkt, dass er wieder abhängig geworden war. Um ihre Hände vom Zittern abzuhalten, holte sie ihre Häkelnadel hervor und versuchte, so zu häkeln, wie sie es von ihrer Großmutter gelernt hatte, doch sie war nicht imstande, ihre Finger zu lenken. Also wartete sie, und ihr Blick richtete sich immer wieder von dem Dope vor ihr auf die Uhr über dem Herd – eine endlose Bewegung, die keinen Trost zu bieten hatte.
    Nun spannt Julia sich an und lauscht nach Geräuschen aus dem Babyzimmer. Es ist 3.45 Uhr, fast Zeit, dem Kind die Flasche zu geben. Sie hat ein übernatürliches Gehör, wenn es um ihr Baby geht, und Tim ist immer wieder verblüfft über die Dinge, die sie wahrnimmt. Es ist, als wäre sie mit dem Kind durch einen unsichtbaren Faden verbunden, durch eine Seidenfaser, so dünn wie die eines Spinnengewebes, und wenn sich der kleine Timmy bewegt, scheint der Faden an irgendetwas in Julias Bauch zu ziehen.
    Julia blickt wieder auf das Dope vor ihr auf dem Tisch. Was hat das zu bedeuten? Dass Tim Schwierigkeiten hat? Womit? Mit dem Glück? Mit einer liebevollen Frau und einem wunderschönen Sohn? Dieser Gedanke versetzt sie in Schrecken. Julia war früher der Meinung, dass Tim klüger als sie sei, und das ist er auch, was Buchwissen betrifft. Aber welchen Nutzen hat das, wenn es ums Überleben geht? Julias gesunder Menschenverstand und ihre Tapferkeit haben ihnen beiden geholfen, schwere Zeiten zu überstehen. Die Aussicht, noch einmal diese Hölle zu durchleben, die sie längst hinter sich wähnte, ist fast unerträglich.
    Ein ungewöhnliches Kratzgeräusch lässt Julia aufhorchen, und das Garn strafft sich zwischen ihren Fingern und dem Haken. Das Geräusch kam nicht aus dem Babyzimmer, da ist sie sich sicher. Es klang so, als hätte jemand das Fenster im Gästezimmer im hinteren Teil des Hauses angehoben.
    Sie schluckt schwer, tritt an das Schränkchen über dem Herd und greift nach der Pistole, die Tim damals, als er noch Drogen nahm, aus dem Safe seines Vaters gestohlen hatte. Später wollte er die Waffe zurückgeben, doch sein Vater sagte, er solle sie behalten. Die Pistole ist schwer und schwarz, aber Julia packt sie energisch mit der Faust und schiebt sich auf Zehenspitzen zum Gästezimmer vor. Dann hört sie das Geräusch von Schuhen hinter der Tür. Sie knarren, als der Eindringling sein Gewicht verlagert. Ob es die Polizei ist? Nein, die Polizei hätte die Haustür eingeschlagen. Es könnte ein anderer Junkie sein, der Tims Vorrat stehlen will.
    Julia strafft den Finger um den Abzug, weicht drei Schritte zurück und zielt mit der Pistole auf die Tür. Wenn sie sich öffnet und jemand anders als Tim erscheint, wird Julia schießen.
    Sie hört einen unterdrückten Fluch, und dann geht die Tür auf.
    Beim Anblick der Pistole, die auf sein Gesicht gerichtet ist, zuckt Tim zusammen, als wäre er von einem elektrischen Viehtreiber getroffen worden.
    »Wo bist du gewesen?«, keucht Julia mit erstickter Stimme, wütend und erleichtert zugleich. »Es ist vier Uhr morgens!«
    »He, he«, erwidert Tim beruhigend und wirft ein paar zusammengeknüllte Kleidungsstücke auf den Boden. »Jetzt ist doch alles in Ordnung.«
    »Blödsinn!«, zischt sie. »Ich hätte dich beinahe erschossen! Du verdammter Lügner!«
    Tim runzelt vor Erstaunen die Stirn. »Wovon redest du? Ich war mit Penn zusammen. Mehr brauchst du nicht zu wissen.«
    Julia wischt sich die Augen mit einer zitternden Hand und mustert ihn wie früher, als sie in jedem Moment seines Lebens auf ihn achten musste, damit er nicht wieder in den Abgrund rutschte. Sie möchte ihn nach den Drogen fragen; stattdessen sagt sie: »Nur mit Penn?«
    Etwas an dem raschen Blinzeln seiner Augen verrät ihr, dass eine Lüge folgen wird. Julia schluchzt, wendet sich ab, geht zum Küchenschrank und nimmt eine Flasche mit Säuglingsnahrung heraus, um sie auf dem Herd anzuwärmen.
    »Julia?«, fragt Tim verlegen.
    »Da liegt was für dich auf dem Tisch«, sagt sie.
    »Was?«
    »Auf dem Tisch!« Sie betrachtet die Gasflamme, die am Rand des Topfes flackert.
    »O Gott«, sagt Tim leise. »Julia …«
    »Was?«
    »Es ist nicht, was du denkst.«
    »Nein? Das ist kein Dope? Kein Vicodin und Kokain?«
    »Nein. Ich meine … doch, schon, aber …«
    »Lass mich raten. Es gehört dir nicht, stimmt’s? Du bewahrst es nur für jemanden auf.«
    Als sie den Fußboden knarren hört, hebt sie eine Hand, um Tim zurückzuweisen. Er bleibt

Weitere Kostenlose Bücher