Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Glücksspiellizenz für ein paar zusätzliche Millionen riskieren, wenn Gott ihnen im Laufe des Jahres das Zehnfache bescheren wird.
Außerdem hat die Gesellschaft mir noch keinen Grund zur Klage gegeben. Ich habe bisher nie bedauern müssen, dass ich sie in die Stadt geholt habe. Sie zahlt ihre Steuern pünktlich und hat die versprochenen Gemeindeinvestitionen getätigt. Ich habe ein freundschaftliches Verhältnis zum Geschäftsführer, einem Engländer namens Sands, der Natchez mit jenem professionellen Charme behandelt, den man von einem Manager in Las Vegas erwarten würde, nicht aber in Mississippi. Das Einzige, was mir an Golden Parachute gegen den Strich geht, ist der Sicherheitschef, ein ungehobelter Ire namens Seamus Quinn, der so aussieht und spricht wie ein Schläger aus der Londoner Unterwelt, den man in einen teuren Anzug gesteckt hat. Aber Sands verbürgte sich für Quinn, und ich kam zu dem Schluss, dass mein Problem mit dem Sicherheitsmann wahrscheinlich eher eine Frage des Stils war. Das Fazit lautet jedenfalls, dass Golden Parachute auf jedem seiner Märkte anstandslos wirtschaftet. Deshalb fällt es mir schwer, Tim Jessups Behauptungen mit meinen eigenen Kenntnissen über dieses Unternehmen in Einklang zu bringen.
Als ich zum Ende der Akte komme, verschwimmen mir die Augen vor Erschöpfung, aber ich blinzle mich wach, als ich auf eine Notiz stoße, die ich vor über einem Jahr an den Rand eines Dokuments geschrieben habe. In roter Tinte, auf einer Kopie des ursprünglichen Antrags von Golden Parachute für eine Glücksspiellizenz, sehe ich die Worte: Stimmbindungs-Trust. Welcher Prozentsatz der Stimmen spiegelt die wirklichen Besitzverhältnisse wider? Etwas, das Tim heute Nacht erwähnt hat, verleiht dieser Notiz einen besonderen Klang, und plötzlich kehrt mein einziger wichtiger Vorbehalt gegen Golden Parachute zurück.
Laut Gesetz muss jeder, der mehr als 5 Prozent eines Casinos in Mississippi besitzt, eine umfassende Untersuchung seiner Vergangenheit auf sich nehmen. Dabei ist es mit einer schlichten Überprüfung nicht getan. Kein Aspekt des Lebens der künftigen Eigentümer ist tabu, und die Betreffenden müssen die Kosten der Überprüfung selbst tragen. Die Glücksspielkommission beschäftigt zu diesem Zweck eine Reihe von Ermittlern, die nicht zögern, beispielsweise zu den Philippinen zu fliegen, um den Inhalt eines Schließfachs zu beschlagnahmen, wenn sie es für nötig halten, um die Tauglichkeit eines Antragstellers festzustellen.
Doch während der Verhandlungen mit Golden Parachute erfuhr ich von einem alten Kommilitonen an der juristischen Fakultät, dass sich dieses Statut umgehen lässt. Anwälte können einen sogenannten Stimmbindungs-Trust einrichten, der den Rechtstitel an einem Casino – oder an einem Teil davon – übernimmt. Hinter einem solchen Trust verbirgt sich eine Gruppe von Anlegern, die sich privat abgesprochen haben, wem welcher Prozentsatz der Firma gehört, aber auf dem Papier werden 95 Prozent der Stimmrechte von dem Partner gehalten, der bei einer Hintergrundüberprüfung definitiv nichts zu befürchten hat. Die anderen Partner werden auf dem Antrag genannt, aber da sie formell nur die übrigen 5 Prozent besitzen, sind sie keiner ähnlichen Nachforschung ausgesetzt. Ein tolles System. Und was geschieht, fragte ich meinen Freund, wenn der makellose Vorzeigepartner beschließt, sein Stimmrecht tatsächlich für sich zu nutzen? Mein Freund lachte und erwiderte, dass so etwas selten vorkäme, da die meisten der »Fünf-Prozent-Partner« Namen mit einem Vokal am Ende hätten. Wenn es trotzdem geschähe, fände der Vorzeigepartner sich gewöhnlich im Innern eines 55-Galonen-Fasses auf dem Grund eines geeigneten Gewässers wieder.
Golden Parachute gehört einem Stimmbindungs-Trust namens Golden Flower LLC . Ich blättere zurück zu dem Antrag und sehe, dass er nur von dem Vorzeigepartner – dem Showbusinessanwalt aus Los Angeles – und nicht von den »Fünfprozentlern« unterzeichnet wurde. Mir haben sich Tims Worte über den Sohn eines chinesischen Milliardärs eingeprägt, der aus Macao einfliegen wolle, um seinen Hund in Mississippi kämpfen zu lassen. Warum war ein Milliardär bereit, eine so große Entfernung zurückzulegen, wenn er mühelos eine ähnliche Veranstaltung in Macao finden konnte? War er nur auf der Suche nach neuer Konkurrenz? Schließlich sind Entfernungen für einen Mann mit einem Privatflugzeug ohne Belang. Aber ich glaube mich mit
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