Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
verhört?«
Logan seufzt tief. »Wir können sie nicht finden.«
Bei diesen Worten fürchte ich sofort, dass Linda Church nie mehr lebend erscheinen wird. »Sollte sie heute arbeiten?«
»Erst in einer Stunde. Wir haben ihre Kolleginnen befragt. Eine war überzeugt, dass Jessup und Linda sich heimlich trafen. Sie mussten es wegen der Arbeitsplatzvorschriften für sich behalten.«
Wenn Tim eine Affäre mit Linda hatte – oder wenn sie ihm bei seinem Plan half, Beweismaterial zu stehlen –, warum hatte er sie mir gegenüber dann nicht erwähnt? Sofort fällt mir die Antwort ein: Er wollte nicht, dass ich ihn wegen seines Betrugs an Julia verurteilte – falls er sie betrog.
»Jessup hat dir nie von dem Mädchen erzählt?«, fragt Logan.
»So enge Freunde waren wir nicht. Nicht seit unserem neunten Lebensjahr.«
»In Ordnung. Aber du bist sicher, dass er keine Drogen nahm.«
Ein bisschen wütend, dass ich meine Beziehung zu Tim verschleiern muss, erwidere ich: »Ich sage dir nur, was ich denke.«
»Mhm, und ich denke Folgendes: Ein objektiver Ermittler muss den Eindruck haben, dass ein alter Junkie wieder vom Weg abgekommen ist. Er bumst eine Kellnerin an seinem Arbeitsplatz und verkauft Meth, um seine beiden Frauen unterhalten zu können.«
»Genau dieser Eindruck sollte erweckt werden. Habt ihr irgendwelche Meth-Vorläufersubstanzen in Jessups Haus gefunden? Kochgerät?«
Logan schüttelt den Kopf.
»Das ist Blödsinn, Don. Inszeniert.«
Logan lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkt die Hände hinter dem Kopf. Seine Augen betrachten mich kühl. »Hast du zusammen mit Jessup an etwas gearbeitet?«
Ich hatte geglaubt, auf solche Fragen vorbereitet zu sein, aber Logans Direktheit überrascht mich. »Ich bin Bürgermeister, Tim war Blackjack-Dealer. Woran hätten wir arbeiten sollen?«
Logans Blick blieb auf mir haften. »Du bist auch Romanautor. Und Anwalt. Und ein früherer Staatsanwalt.«
»Und?«
»Vor zwei Tagen hat einer meiner Streifenpolizisten dein Auto draußen am Friedhof gesehen. Nach Mitternacht. Das ist nicht weit von Jessups Arbeitsplatz entfernt. Und seine Schicht endete diese Woche um 24 Uhr.«
Ich hebe die Schultern so lässig, wie es mir möglich ist. »Ich war deprimiert. Deshalb habe ich das Grab meiner Frau besucht. Das tue ich manchmal.«
Logan sieht so aus, als wolle er mir Glauben schenken, doch es gelingt ihm anscheinend nicht. »Genau das hat der Mann mir gemeldet. Aber wenn dort noch etwas anderes war, würde ich es gern wissen.«
Ich schüttele den Kopf. »Nichts. Außer mir und den Geistern der Toten war keiner da.«
Logan beobachtet mich noch ein wenig länger, bevor er fortfährt: »Du solltest noch ein, zwei andere Dinge wissen. Erstens, Jessups Frau wird vermisst.«
»Was soll das heißen? Dass jemand eine Vermisstenmeldung aufgegeben hat? Oder könnt ihr sie bloß nicht finden?«
»Wir können weder sie noch ihren Sohn ausfindig machen.«
Ich zucke erneut die Achseln. »Leider weiß ich nicht, wo sie ist, wenn das deine Frage war. Habt ihr Tims Auto?«
»Das ist die zweite Sache. Es ist ebenfalls verschwunden. Aber ich habe Linda Churchs Handyunterlagen. Sie hat gestern kurz vor Mitternacht eine ziemlich beunruhigende SMS erhalten.«
»Was stand drin?«
Logan zieht ein kleines Stück Papier aus dem braunen Umschlag und schiebt es über den Schreibtisch. Es enthält die mit einem Bleistift geschriebenen Buchstaben: Thief www kllmmommy. Sqrtoo.
»Was hältst du davon?«, fragt Logan.
»Tim hat das gesendet?«
»Es ist mit dem Handy eines Mannes gesendet worden, dem man es gestern Abend auf der Magnolia Queen gestohlen hat. Ich glaube, solche Diebstähle sind bei Jessup in letzter Zeit nicht selten.«
Logans neugierige Augen mustern mich, aber ich bleibe stumm. Schließlich sagt er: »Meiner Erfahrung nach sind Stripper fast allem ausgesetzt, was es gibt. In einen Auftragsmord hineingezogen zu werden wäre für manche von ihnen keine große Sache. Ein objektiver Ermittler könnte die SMS als Aufforderung betrachten, Jessups Frau und Kind umzubringen.«
Ich kann nicht glauben, dass Logan es ernst meint. »Tim wollte seine Frau ermorden? Die Frau, die ihm das Leben gerettet hat? Das ist lächerlich, und das weißt du.«
»Vor zwei Jahren hätte ich es für lächerlich gehalten, wenn du mir erzählt hättest, dass Dr. Drew Elliott ein Highschool-Mädchen rammelt. Wenn mein Job mich etwas gelehrt hat, dann dies: Wir haben keine Ahnung, wozu
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