Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
Möglichkeit.«
Ich seufze resigniert. »Okay. Bin unterwegs.«
Die Dachtür ist nur zwei Meter von mir entfernt, aber es könnte genauso gut eine Meile sein. Der Gedanke, ins Erdgeschoss des Krankenhauses hinunterzusteigen, lässt mich verzweifeln. Ich weiß nicht, ob es am Schlafentzug oder an der Bruchlandung liegt. Bevor ich meine letzten Energiereserven sammle, schaue ich nach links.
Wie eine riesige blaue Libelle steht der Hubschrauber von Athens Point neben mir. Seine Schaufelblätter drehen sich, als könnten sie ewig so weitermachen. Danny McDavitt sitzt am Steuerknüppel wie ein wartender Chauffeur und richtet den Blick auf mich.
Da ist meine Mitfluggelegenheit.
20
D as Polizeirevier liegt im Norden der Stadt, weit weg von den neuesten Wohnsiedlungen und Geschäftsgebäuden in der Nähe des überwiegend schwarzen Ortsteils. Der einstöckige Bau wirkt wie eine Kreuzung aus einer Büroetage der Siebzigerjahre und einem Bundesgefängnis ohne Stacheldraht. Die Wache ist eingeklemmt zwischen einer Pizza Hut und dem Entergy-Gebäude; in der Umgebung befinden sich Autohäuser, Ersatzteilläden, billige Motels und ein Fahrzeugkredit-Unternehmen. Auf der anderen Straßenseite, inmitten dieser Ansammlung, steht Devereaux, eine der schönsten neoklassischen Villen im Süden. Heutzutage wird sie überragt von der Baptistenkirche, dem einzigen Neubau in diesem Ortsteil.
In dem von gläsernen Wänden umrahmten Eingangsbereich des Reviers nenne ich der Polizistin hinter dem Panzerglasfenster meinen Namen. Sie tut so, als müsse sie irgendwelchen Papierkram erledigen, bevor sie die Tür mit einem Summer öffnet und auf das Zimmer des Polizeichefs zeigt.
Don Logan und ich haben gemeinsam manchen Ärger durchgestanden. Vor anderthalb Jahren wurden wir beide im Foyer des besten Hotels der Stadt von Bandenmitgliedern beschossen. Wie ich Tim in der Nacht vor seinem Tod erklärt habe, ist es fast unmöglich für mich zu glauben, dass Logan auf einer Schmierliste stehen könnte, wie groß die Versuchung auch sein mag. Andererseits weiß er möglicherweise Bescheid über die Verfehlungen eines oder mehrer Polizisten, deren Chef er ist. In einer solchen Situation kann auch ein ehrenwerter Mann in einen Zwiespalt geraten. Deshalb muss ich vorsichtig mit Logan umgehen, auch wenn er ehrlich ist.
Er wartet an einem Schreibtisch, der geradezu zwanghaft aufgeräumt ist. Trotz seiner gestärkten blauen Uniform und des silbernen Abzeichens sieht er mit seiner Metallrandbrille immer noch wie ein Lehrer an einer Highschool aus.
»Was ist los, Don?«, frage ich und hoffe, die Formalitäten sofort überwinden zu können. »Du hast am Telefon ziemlich nervös geklungen.«
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll.«
»Wie sieht’s mit Soren Jensen aus?« Ich habe ein bisschen Zeit, mich auf seine Gemütsverfassung zu konzentrieren, und ich spüre seine Anspannung.
»Gegen Jensen wird wegen Drogenbesitzes mit Verkaufsabsicht Anzeige erstattet.«
Logan sieht meine schockierte Miene und fährt hastig fort: »Das hatte ich nicht vor, Penn. Der Staatsanwalt ist für die Anzeige verantwortlich. Shad war heute Morgen sogar hier, um sich zu überzeugen, dass ich über seinen Standpunkt informiert bin. Ich weiß nicht, ob du ihm auf die Zehen getreten bist, aber er will dem Jungen an den Kragen.«
»Schon gut. Was ist mit dem Autounfall?«
»Der Junge wird auch wegen Trunkenheit am Steuer angeklagt. Der Alkoholtest war positiv, und ich glaube, dass er sich außerdem mit Meth abgefüllt hatte. Seine Mutter hat ihm geraten, sich keine Blutprobe entnehmen zu lassen, aber Shad wird sich eine gerichtliche Anordnung besorgen.«
Schweigend verarbeite ich diese Neuigkeit. Libby ist inzwischen wahrscheinlich einem Nervenzusammenbruch nahe.
»Ich weiß, dass er im Grunde ein guter Kerl ist«, sagt Logan. »Aber er hat einen Polizisten geschlagen. Du weißt, dass er so was nicht getan hätte, wenn er nicht high gewesen wäre.«
»Wahrscheinlich nicht. Aber er braucht Hilfe und nicht den Knast.«
»Genau wie all die armen schwarzen Jungs, die hier auftauchen, und viele müssen auf Hilfe verzichten. Deshalb fällt es Shad nicht schwer, Jensen in die Pfanne zu hauen und dabei unparteiisch zu wirken. Aber kommen wir zu einer anderen Sache. Wir haben viel ernstere Probleme.«
»Zum Beispiel?«
»Tim Jessup.«
Na dann. »Behandelst du seinen Tod als Mord?«
Logan nimmt einen Edelstahlstift aus einem Becher, wendet den Blick ab und antwortet
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