Adrenalin - Iles, G: Adrenalin - The Devil's Punchbowl
abzulassen.
»Ich habe gerade ein paar Bilder gesehen, die man in Tim Jessups Haus gefunden hat. Nacktfotos von einer Frau, die auf der Magnolia Queen gearbeitet hat.«
»Irgendein Polizist wird diese Woche seinen Job verlieren.«
»Hör zu, Penn, bitte. Ich glaube, jemand versucht, mich zu manipulieren. Jemand benutzt mich, damit ich die Dinge so darstelle, wie er es will. Ich kann es spüren.«
Ich bleibe stumm.
»Willst du mir nicht sagen, was vor sich geht? Ich möchte dir helfen.«
»Meinst du nicht, dass du dir selbst helfen willst? Du bist auf der Jagd nach einem zweiten Pulitzerpreis, oder?«
Ihre Augen blitzen. »Ich bin auf der Jagd nach der Wahrheit. Wie immer.«
»Ich kann nichts für dich tun.«
»Und was bedeutet das für uns?«
»Hast du noch etwas?«
Nach einem tiefen Atemzug nickt sie zur Menge hinüber, die sich nun auflöst, denn alle kehren zu ihren Autos zurück. »Nicht viel. Aber das wird sich ändern, wie du weißt.«
Da ich die Verabredung mit McDavitt habe, treffe ich eine schnelle Entscheidung. »Caitlin, tun wir so, als wäre keine Zeit vergangen, seit wir zusammen waren. Niemand ist gekränkt, nichts ist passiert. Ich sage dir, dass dein Leben in Gefahr ist, wenn du diese Sache weiterverfolgst. Sogar in noch größerer Gefahr als bei unserer Arbeit am Del-Payton-Fall. Du kannst Tim nicht helfen oder seine Pläne fördern. Und du dienst auch nicht dem öffentlichen Interesse. Außerdem bringst du nicht nur dich selbst, sondern auch mich und meine Familie in Gefahr. In ein paar Tagen kann ich dir vielleicht mehr verraten, aber vorläufig ist das alles.«
Sie betrachtet mich ungläubig. »Und damit soll ich mich davonmachen?«
»Hattest du das nicht ohnehin vor? Ich dachte, du wärst mit deinem Freund unterwegs nach New Orleans.«
»Er ist schon weg.«
»Warum bist du noch hier?«
Caitlin will antworten, beißt sich dann aber auf die Unterlippe und schüttelt den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielen Dank für die Minute. Es war sehr lehrreich.«
Sie dreht sich um und folgt Labrys Spur zum Besucherzentrum. Ihr tiefschwarzes Haar weht in der Brise, die vom Fluss her kommt.
Zweihundertsiebzig Meter über dem Mississippi lässt mein Magen mich im Stich. Der Ballonabsturz ist mir noch zu frisch in Erinnerung, und ich muss mich fest anschnallen, um die Nerven zu bewahren. Danny McDavitt sitzt links vor mir im Hubschrauber des Sheriff’s Department von Athens Point. In den rechten Sitz hat sich ein großer, schlanker Schwarzer gezwängt. Er heißt Carl Sims und dürfte zwanzig bis dreißig Jahre alt sein. Carl ist der ehemalige Scharfschütze der Marineinfanterie, den Daniel Kelly mir am Telefon genannt hat. Er arbeitet als Deputy für das Sheriff’s Department von Athens Point, doch heute hat er – wie die meisten Menschen, die in einem Umkreis von fünfzig Meilen ansässig sind – das Ballonfestival besucht. Seine schwarzen Jeans und sein blauer Kapuzenpullover heben sich von McDavitts ausgeblichener Khakihose und seinem Polohemd ab. Obwohl Sims und McDavitt dreißig Jahre auseinander sind, scheinen sie einander gut zu kennen. Sie tauschen sich mit kurzen Wendungen oder trockenen Witzen aus, und sogar ihr Schweigen scheint Informationen zu enthalten.
Angeblich fliegen wir die Strecke des Nachmittagsrennens ab, um auf dem Boden nach Anzeichen von Heckenschützen zu suchen. In Wirklichkeit aber suchen wir nach Tim Jessups Auto. Wenn ein Kind entführt wird, empfiehlt die Ermittlungsgruppe des FBI , so rasch wie möglich einen Hubschrauber loszuschicken, dessen Besatzung mit einer Fahrzeugbeschreibung ausgerüstet ist. Hubschrauber sind äußerst effektiv, wenn man ein Auto auf der Flucht ausfindig machen will, und ich sehe keinen Grund, dass ein Helikopter weniger effektiv sein soll, wenn ein verlassenes Fahrzeug gefunden werden muss. Allerdings ist unsere Suche wahrscheinlich sinnlos, wenn jemand Tims Wagen absichtlich versteckt hat.
Wieder führt die Rennstrecke wegen der vorherrschenden Winde über den Fluss hinweg von Mississippi nach Louisiana. Mehr als die Hälfte der Ballonfahrer hat beschlossen, bis zum Schluss am Festival teilzunehmen. Wiederum die Hälfte von ihnen hat den Fluss bereits überquert und segelt unter einem herrlichen blauen Himmel nach Südwesten. Die übrigen Ballons ziehen links von uns auf unterschiedlichen Höhen dahin, von der Doppelbrücke zurück bis zum Startplatz am Natchez Airport. Der Wind hat sich seit dem Morgen gelegt, und aus dieser
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