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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Abgrunds schwankte, der Gnade der Verrückten ausgeliefert, die jeweils im Weißen Haus und im Kreml saßen und sich jederzeit fragen konnten, »wozu dieser Knopf eigentlich gut ist«.
    Seitdem ist mein persönlicher Jüngster Tag wild vor und zurück verlegt worden, ganz wie die offizielle Version. Die Heirat mit Julianne hat mich ungeheuer optimistisch gemacht, was mit Charlies Geburt noch verstärkt wurde. Ich freute mich sogar
auf ein beschauliches Alter, in dem wir unsere Rucksäcke gegen Rollkoffer eintauschen, mit den Enkeln spielen, sie mit nostalgischen Geschichten langweilen und exzentrische Hobbys anfangen würden…
    Jetzt wird die Zukunft anders sein. Ich sehe keine strahlende Straße der Entdeckungen, sondern ein zuckendes, stammelndes, sabberndes Etwas in einem Rollstuhl. »Müssen wir Dad heute wirklich besuchen?«, wird Charlie fragen. »Er merkt doch sowieso nicht, wenn wir nicht kommen.«
    Eine Windböe lässt meine Zähne klappern, und ich stoße mich vom Geländer ab. Als ich den Pier verlasse, mache ich mir keine Sorgen mehr, mich zu verlaufen. Gleichzeitig fühle ich mich verletzlich. Ausgeliefert.
    Am Empfang des Albion Hotel sitzt eine Frau, die strickt und beim Mitzählen der Maschen stumm die Lippen bewegt. Aus der Höhe ihrer Füße ertönt Lachen vom Band. Sie wendet sich mir erst zu, als sie die Reihe fertig gestrickt hat, und gibt mir eine Nachricht. Darauf stehen Name und Telefonnummer einer Lehrerin, die Bobby an der St.-Mary’s-Schule unterrichtet hat. Morgen früh ist früh genug.
    Die Treppe kommt mir steiler vor als am Morgen. Ich bin müde und betrunken. Ich will einfach aufs Bett sinken und schlafen.
     
    Schwer atmend schrecke ich hoch. Ich taste instinktiv nach Julianne. Sie wacht meistens auf, wenn ich im Schlaf schreie. Dann legt sie die Hand auf meine Brust und flüstert, dass alles gut ist.
    Ich atme tief ein, bis mein Herzschlag sich wieder beruhigt hat, steige dann aus dem Bett und schleiche auf Zehenspitzen zum Fenster. Bis auf einen Laster, der Zeitungen ausliefert, ist die Straße leer. Ich berühre behutsam mein Ohr und spüre die raue Naht.
    Auf meinem Kissen ist Blut.

    Ohne Anklopfen oder warnende Schritte geht die Tür auf. Ich bin mir völlig sicher, dass ich sie abgeschlossen habe. Eine Hand mit langen Fingern und roten Nägeln taucht auf, gefolgt von einem Gesicht mit Rouge und Lippenstift. Die Frau ist blass und dünn und hat kurze blonde Haare.
    »Pssst.«
    Hinter ihr kichert jemand.
    Sie tastet nach dem Lichtschalter. Meine Umrisse zeichnen sich vor dem Fenster ab. »Dieses Zimmer ist belegt.«
    Unsere Blicke treffen sich, und sie stößt einen kurzen entsetzten Kraftausdruck aus. Hinter ihr steht ein großer, ramponiert aussehender Mann in einem schlecht sitzenden Anzug und greift in ihr Oberteil. »Sie haben mir einen Scheißschrecken eingejagt«, sagt sie und schiebt seine Hand weg, worauf er erneut betrunken nach ihrer Brust grabscht.
    »Wie sind Sie ins Zimmer gekommen?«
    Sie rollt entschuldigend mit den Augen. »Ein Irrtum.«
    »Die Tür war abgeschlossen.«
    Sie schüttelt den Kopf. Ihr männlicher Freund blickt über ihre Schulter. »Was macht der in unserem Zimmer?«
    »Es ist sein Zimmer, du Vollidiot!« Sie schlägt mit einer strassbesetzten Handtasche gegen seine Brust und schiebt ihn aus der Tür. Bevor sie sie schließt, dreht sie sich noch einmal um und lächelt. »Wollen Sie Gesellschaft? Ich kann den Typen abwimmeln.«
    Sie ist so dünn, dass man die Knochen über ihrer Brust sehen kann. »Nein danke.«
    Sie zuckt die Achseln und zieht die Strumpfhose unter ihrem Minirock hoch. Dann wird die Tür geschlossen, und ich höre, wie sie versuchen, den Flur hinunterzuschleichen und ins nächste Stockwerk zu steigen.
    Für einen Moment kocht Wut in mir auf. Habe ich wirklich vergessen, die Tür abzuschließen? Ich war betrunken, vielleicht sogar verwirrt.

    Es ist kurz nach sechs. Julianne und Charlie schlafen bestimmt noch. Ich hole mein Handy aus der Tasche, schalte es ein und starre in der Dunkelheit auf das leuchtende Display. Keine Nachrichten. Das ist meine Buße … beim Einschlafen und beim Aufwachen an meine Frau und meine Tochter zu denken.
    Ich sitze auf der Fensterbank und beobachte, wie der Himmel heller wird. Tauben flattern über die Dächer. Sie erinnern mich an Varanasi in Indien, wo hoch über den Scheiterhaufen Geier kreisen und darauf warten, dass die verkohlten Überreste des Toten in den Ganges geworfen werden. Varanasi ist

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