Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
ein trauriger Slum von einer Stadt mit verfallenden Gebäuden und schielenden Kindern, in dem es außer den bunten Saris und den wiegenden Hüften der Frauen keine Schönheit gibt. Es hat mich abgestoßen und fasziniert, und das Gleiche gilt auch für Liverpool.
Ich warte bis sieben, bevor ich Julianne anrufe. Eine männliche Stimme antwortet. Erst denke ich, dass ich mich verwählt habe, aber dann erkenne ich Jocks Stimme.
»Ich habe gerade an dich gedacht«, sagt er mit dröhnender Stimme. Im Hintergrund fragt Charlie: »Ist das Dad? Kann ich mit ihm reden? Bitte lass mich.«
Jock hält die Hand über die Sprechmuschel, aber ich höre ihn trotzdem. Er sagt Charlie, dass sie Julianne holen soll. Sie protestiert, gehorcht dann aber doch.
Derweil ist Jock ganz kumpelhafte Leutseligkeit. Ich unterbreche ihn. »Was machst du dort, Jock? Ist alles in Ordnung?«
»Deine Installation ist nach wie vor Murks.«
Was weiß er über meine beschissene Installation? Er passt sich meiner Kälte an. Ich kann mir vorstellen, wie seine Miene sich verändert. »Jemand hat versucht einzubrechen. Julianne hat einen kleinen Schrecken gekriegt und wollte nicht allein im Haus sein. Ich habe ihr angeboten zu bleiben.«
»Wer? Wann?«
»Wahrscheinlich bloß irgendein Junkie. Er ist durch die
Haustür gekommen. Die Klempner hatten sie offen stehen lassen. D. J. hat ihn im Arbeitszimmer entdeckt und die Straße hinunter verfolgt. In der Nähe des Kanals hat er ihn verloren.«
»Ist irgendetwas gestohlen worden?«
»Nein.«
Ich höre Schritte auf der Treppe. Jock legt wieder die Hand über den Hörer.
»Kann ich mit Julianne sprechen? Ich weiß, dass sie da ist.«
»Sie sagt nein.«
Ich spüre einen Anflug von Wut. Jock versucht, wieder in lockeres Geplauder zu verfallen. »Sie will wissen, warum du um drei Uhr morgens ihre Mutter angerufen hast.«
Eine vage Erinnerung daran, die Nummer gewählt zu haben, dringt in mein Bewusstsein; der eisige Tadel, bevor sie aufgelegt hat.
»Lass mich einfach mit Julianne reden.«
»Nein, das geht nicht, alter Junge. Sie fühlt sich nicht besonders. «
»Was soll das heißen?«
»Genau das, was ich gesagt habe. Sie ist ein wenig angegriffen. «
»Stimmt irgendwas nicht?«
»Nein. Sie ist kerngesund. Ich habe sie einer gründlichen körperlichen Untersuchung unterzogen.« Er will mich auf die Palme bringen, und es funktioniert.
»Gib ihr das Scheiß telefon – «
»Ich glaube nicht, dass du in einer Position bist, mir Befehle zu erteilen, Joe. Du machst alles nur noch schlimmer.«
Ich möchte meine Faust in seinen 100-Liegestützen-pro-Tag-Bauch rammen. Dann höre ich ein verräterisches Klicken. Irgendjemand hat das Telefon in meinem Arbeitszimmer abgehoben. Jock hat es nicht gemerkt.
Ich versuche, versöhnlich zu klingen, und sage, dass ich später noch einmal anrufe. Er legt auf, doch ich bleibe dran und warte.
»Dad, bist du das?«, fragt Charlie nervös.
»Wie geht’s dir, mein Schatz?«
»Gut. Wann kommst du nach Hause?«
»Ich weiß es nicht. Ich muss noch ein paar Sachen mit Mummy klären.«
»Habt ihr beiden euch gestritten?«
»Woher weißt du das?«
»Wenn Mum wütend auf dich ist, sollte ich sie nie an meine Haare lassen.«
»Tut mir Leid.«
»Das ist okay. War es deine Schuld?«
»Ja.«
»Warum sagst du dann nicht einfach, dass es dir Leid tut? Das erklärst du mir doch auch immer, wenn ich mich mit Taylor Jones gestritten habe.«
»Ich glaube, das wird diesmal nicht reichen.«
Ich kann förmlich hören, wie sie darüber nachdenkt. Ich kann mir sogar vorstellen, wie sie sich konzentriert auf die Unterlippe beißt.
»Dad?«
»Ja.«
»Also … ähm … ich wollte dich was fragen. Es geht… also …« Sie setzt mehrmals neu an. Ich sage, dass sie sich die ganze Frage erst im Kopf ausdenken und mir dann stellen soll.
Schließlich platzt es aus ihr heraus. »Da war dieses Foto in der Zeitung… jemand mit einem Mantel über dem Kopf. Ein paar Kinder haben darüber geredet … in der Schule. Lachlan O’Brien hat gesagt, das wärst du. Ich habe ihm erklärt, dass er lügt. Dann habe ich gestern Abend eine Zeitung aus dem Mülleimer gezogen. Mum hatte sie weggeworfen. Ich habe mich nach oben in mein Zimmer geschlichen – «
»Hast du den Artikel gelesen?«
»Ja.«
Mein Herz rutscht mir in die Knie. Wie soll ich einer Achtjährigen
das Konzept einer irrtümlichen Verhaftung aufgrund einer Verwechslung erklären? Wir haben Charlie beigebracht, der Polizei
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