Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
unter der Berührung hart wird. »Sie können mich bumsen, wenn Sie wollen.« Sie meint es ernst. »Ich würde gern etwas anderes spüren als diesen… diesen Verfall.«
Mein mitleidiger Gesichtsausdruck macht sie wütend. Sie stößt meine Hand weg und zieht ihre Strickjacke fest über ihre Brust, ohne mich anzusehen.
»Ich muss Ihnen einige Fragen stellen.«
»Vergessen Sie’s. Ich brauche Ihre Seien-Sie-stark-Reden nicht. Ich verdränge meine Krankheit nicht und versuche auch nicht mehr mit Gott zu feilschen.«
»Ich bin wegen Bobby hier.«
»Was ist mit ihm?«
Ich habe mir nicht überlegt, was ich sie fragen will. Ich weiß nicht mal genau, wonach ich suche.
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
»Vor sechs oder sieben Jahren. Er hatte ständig irgendwelchen Ärger. Wollte auf niemanden hören. Jedenfalls nicht auf mich. Ich habe dem Kind die besten Jahre meines Lebens geopfert, und er wird immer undankbar sein.« Ihre Sätze sind kurz und abgerissen. »Und was hat er jetzt angestellt?«
»Er ist wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Er hat eine Frau bewusstlos getreten.«
»Eine Freundin?«
»Nein, eine Fremde.«
Ihre Gesichtszüge werden weicher. »Sie haben mit ihm gesprochen. Wie geht es ihm?«
»Er ist wütend.«
Sie seufzt. »Im Krankenhaus habe ich gedacht, sie haben mir das falsche Baby gegeben. Es fühlte sich nicht an wie meins. Er sah aus wie sein Vater, was eine Schande war. Ich konnte nichts von mir in ihm erkennen, bis auf seine Augen. Er hatte zwei linke Füße und ein großes rundes Mondgesicht. Er konnte nichts
sauber halten. Er musste überall seine Finger reinstecken, alles aufmachen und herausfinden, wie es funktioniert. Einmal hat er ein absolut intaktes Radio auseinander genommen und Batterieflüssigkeit über meinen besten Teppich gekleckert. Genau wie sein Vater …«
Sie lässt den Satz unvollendet, setzt jedoch sofort neu an. »Ich habe nie empfunden, was eine Mutter empfinden soll. Ich bin vermutlich kein mütterlicher Typ, aber deswegen bin ich doch noch lange nicht kalt, oder? Ich wollte nicht schwanger werden und ich wollte auch keinen Stiefsohn erben. Ich war erst einundzwanzig, Herrgott noch mal!«
Sie zieht ihre fein gezogene, schmale Braue hoch. »Es juckt Sie, in meinen Kopf zu gucken, was? Es gibt nicht viele Leute, die sich dafür interessieren, was jemand denkt und zu sagen hat. Manchmal tun sie so, als würden sie zuhören, während sie eigentlich nur darauf warten, bis sie an der Reihe sind, oder auf eine Gelegenheit lauern, dazwischen zu gehen. Was wollen Sie mir sagen, Mr. Freud?«
»Ich versuche zu verstehen.«
»So war Lenny auch; ständig hat er Fragen gestellt, wollte wissen, wohin ich gehe und wann ich nach Hause komme.« Sie parodiert seine klagende Stimme. »›Mit wem bist du zusammen, Schatz? Bitte, komm nach Hause. Ich warte auf dich.‹ Es war so erbärmlich! Kein Wunder, dass ich mich gefragt habe, ob das das Beste war, was ich kriegen konnte. Ich hatte nicht vor, für den Rest meines Lebens neben seinem verschwitzten Rücken zu liegen.«
»Er hat sich umgebracht.«
»Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.«
»Wissen Sie, warum?«
Sie scheint mich nicht zu hören. Stattdessen starrt sie auf die Vorhänge. Das Zimmer muss einen direkten Blick aufs Meer haben.
»Mögen Sie die Aussicht nicht?«
Sie zuckt die Achseln. »Es gibt ein Gerücht, dass man sich hier nicht die Mühe machen würde, uns zu beerdigen. Wir werden einfach von der Klippe geworfen.«
»Was war mit Ihrem Mann?«
Sie sieht mich nicht an. »Er nannte sich Erfinder. Was für ein Witz! Wissen Sie, dass er, wenn er mal Geld verdiente – was eh nie passierte –, alles verschenken wollte? ›Um die Welt zu bereichern‹, sagte er. So war er: Ständig hat er von der Macht der Arbeiter und der proletarischen Revolution geschwafelt, große Reden und Moralpredigten gehalten. Kommunisten glauben nicht an den Himmel und die Hölle. Was glauben Sie, wo er ist?«
»Ich bin kein religiöser Mensch.«
»Aber Sie glauben, er könnte irgendwo anders hingegangen sein?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
Ihr Panzer aus Gleichgültigkeit zeigt einen Riss. »Vielleicht sind wir alle in der Hölle, ohne es zu wissen.« Sie macht eine Pause und schließt die Augen. »Ich wollte die Scheidung. Er sagte Nein. Ich habe ihm gesagt, er solle sich eine Freundin zulegen. Er wollte mich nicht loslassen. Die Leute behaupten, ich wäre kalt, aber ich fühle mehr als sie. Ich
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