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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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schließlich in einer Kabine der Toilette zusammenbrach.
    Lucas steht immer noch über den Werkzeugkasten gebeugt, als hätte er etwas verloren. Seine Schultern beben. Mit rauer heiserer Stimme berichtet er, wie Sonia drei Wochen im Koma gelegen hat, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Lucas und seine Frau diskutierten darüber, ob sie die lebenserhaltenden Apparate abschalten sollten oder nicht. Er war der Pragmatiker. Er wollte sich daran erinnern, wie sie elegant durchs Wasser kraulte. Seine Frau warf ihm vor, die Hoffnung aufzugeben, nur an sich selbst zu denken und nicht innig genug um ein Wunder zu beten.
    »Seither hat sie kaum mehr als ein Dutzend Worte mit mir gesprochen – schon gar keine ganzen Sätze. Bis sie mir gestern Abend erzählt hat, dass sie dein Foto in den Nachrichten gesehen hat. Ich habe ihr Fragen gestellt, und sie hat geantwortet. Es war das erste Mal seit Urzeiten …«
    »Wer hat Sonia die Tablette gegeben? Hat man je irgendwen gefasst?«
    Lucas schüttelt den Kopf. Claire hatte den Mann beschrieben. Sie sah sich Fahndungsfotos und Verdächtige bei einer Gegenüberstellung an.
    »Wie hat er denn ihrer Beschreibung nach ausgesehen?«
    »Groß, schlank, braun… mit nach hinten gegeltem Haar.«
    »Wie alt?«
    »Mitte dreißig.«

    »Erinnerst du dich an Bobby Morgan?«
    »Ja.«
    »Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor vierzehn … fünfzehn Jahren. Er war noch ein Kind.«
    »Und seitdem nicht mehr?«
    Er schüttelt den Kopf und kneift die Augen zusammen, als wäre ihm gerade ein Gedanke gekommen. »Sonia kannte jemanden namens Bobby Morgan. Es könnte dieselbe Person gewesen sein. Er hat in dem Schwimmzentrum gearbeitet.«
    »Du hast ihn nie gesehen?«
    »Nein.« Er bemerkt, dass sich die Gardinen im Wohnzimmer bewegen. »An deiner Stelle würde ich hier nicht mehr viel länger bleiben«, sagt er. »Sie ruft die Polizei an, wenn sie dich sieht.«
    Der Werkzeugkasten zieht schwer an seinem rechten Arm. Er wechselt ihn in die Linke und blickt zu dem Basketball-Korb auf. »Der wird wohl noch eine Weile hängen bleiben müssen.«
    Ich bedanke mich, und er hastet ins Haus. Die Tür schlägt zu, und die Stille verstärkt meine Schritte. Ich dachte immer, Dutton wäre eingebildet und dogmatisch, in Helferkonferenzen nicht bereit zuzuhören oder seine Meinung zu revidieren. Er war die Art autokratischer, kleinlicher Beamter, der brillant ist, wenn es darum geht, dass die Züge pünktlich fahren, aber im Umgang mit Menschen erbärmlich scheitert. Wenn seine Belegschaft nur so verlässlich sein könnte wie sein Skoda, der auch an kalten Morgen im ersten Versuch ansprang und immer sofort auf jede Bewegung des Lenkrads reagierte. Jetzt ist er von den Umständen gedemütigt, erniedrigt und geschlagen worden.
    Der Mann, der Sonia die vergiftete Tablette gegeben hat, klingt nicht wie Bobby, aber Augenzeugenberichte sind notorisch unzuverlässig. Stress und Schock können die Wahrnehmung verändern. Das Gedächtnis ist fehlerhaft. Bobby ist ein Chamäleon, das die Farbe wechselt, sich tarnt, auftaucht und immer gleich wieder in der Masse verschwindet.

    Tante Gracie hat mir, als ich klein war, immer ein Gedicht aufgesagt – den politisch inkorrekten Knittelvers von den zehn kleinen Negerlein. Es fing an mit zehn kleinen Negerlein, die sich am Essen freuen, doch einer hat sich dran verschluckt, da waren’s nur noch neun. Die neun kleinen Negerlein, die bleiben lange wach, nur einer hat verschlafen, da waren’s nur noch acht…
    Die kleinen Negerlein werden von Bienen gestochen, Fischen gefressen, Bären umarmt und in zwei Teile gehackt, bis nur noch einer alleine übrig bleibt. Ich komme mir vor wie dieses letzte Negerlein.
    Jetzt verstehe ich, was Bobby macht. Er versucht jedem von uns zu nehmen, was uns am meisten am Herzen liegt – die Liebe eines Kindes, die Nähe eines Partners, das Gefühl der Zugehörigkeit. Er will, dass wir leiden, wie er gelitten hat, dass wir verlieren, was wir am meisten lieben, um seinen Verlust zu erleben.
    Mel und Boyd waren Seelenverwandte. Jeder, der sie kannte, konnte das sehen. Jerzy und Esther Gorski hatten die Gaskammern der Nazis überlebt und sich in London niedergelassen, wo sie ihr einziges Kind Alison großzogen, die Lehrerin wurde und nach Liverpool zog. Feuerwehrleute entdeckten Jerzy am Fuß der Treppe. Er lebte trotz der Verbrennungen noch. Esther erstickte im Schlaf.
    Catherine McBride, Lieblingsenkelin in einer angesehenen Familie –

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