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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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in Bognor; sie hatten Zwillingstöchter …
    Mel verlangt eine Erklärung, aber ich unterbreche sie. »Was ist mit den Zwillingen passiert?«
    »Du machst mir Angst, Joe.«
    »Was ist mit ihnen passiert?«
    »Eines der Mädchen ist letztes Jahr Ostern an einer Überdosis Drogen gestorben.«
    Ich bin ihr natürlich voraus, weil ich im Kopf eine Liste von Namen vor mir sehe: Richter McBride, Melinda Cossimo, Rupert Erskine, Lucas Dutton, Alison Gorski – alle hatten mit demselben Fall von Kindesfürsorge zu tun. Erskine ist tot. Alle anderen haben einen nahe stehenden Menschen verloren. Aber was hat das mit mir zu tun? Ich habe Bobby nur einmal befragt. Das reicht doch gewiss nicht, um die Windräder, den Spanischunterricht, die Tiger und Löwen zu erklären … Warum hat er monatelang in Wales gelebt, den Garten meiner Eltern neu gestaltet und alte Ställe renoviert?
    Mel droht aufzulegen. Ich kann sie noch nicht lassen. »Wer hat damals die Sachvorlage für den Antrag auf Inobhutnahme erstellt?«
    »Ich natürlich.«
    »Du hast gesagt, Erskine hätte Urlaub gehabt. Wer hat den psychologischen Bericht unterschrieben?«
    Sie zögert und atmet anders. Sie ist im Begriff zu lügen. »Ich weiß es nicht mehr.«
    »Wer hat den psychologischen Bericht unterschrieben?«, wiederhole ich drängender.
    Sie spricht durch mich hindurch in die Vergangenheit. »Du.«
    »Wie? Wann?«
    »Ich habe dir das Formular vorgelegt, und du hast unterschrieben. Du hast gedacht, es ginge um die Autorisierung einer Pflegeelternschaft. Es war dein letzter Tag in Liverpool. Wir haben im Windy House auf deinen Abschied getrunken.«
    Den Hörer ans Ohr gepresst stöhne ich innerlich auf. »Mein Name war in Bobbys Akte?«
    »Ja.«
    »Du hast ihn aus den Akten getilgt, bevor du sie mir gezeigt hast?«
    »Das Ganze ist lange her. Ich dachte, es wäre unwichtig.« Ich kann ihr nicht antworten. Ich lasse den Hörer fallen. Die junge Mutter hält ihr Baby fest in den Armen und wiegt es hin und her, um es zu beruhigen. Auf der Treppe vor dem Haus höre ich, wie sie ihren älteren Sohn hereinruft. Niemand will in meine Nähe kommen. Ich bin wie eine ansteckende Krankheit. Eine Epidemie.

5
    George Woodcock hat das Ticken der Uhr eine mechanische Tyrannei genannt, die uns zum Diener einer Maschine gemacht hat, die wir selber erschaffen haben. Wir werden von unserem eigenen Monster in Schrecken gehalten – genau wie Baron von Frankenstein.
    Ich hatte einmal einen Patienten, ein allein lebender Witwer, der davon überzeugt war, dass das Ticken der Uhr über dem Küchentisch wie menschliche Worte klang. Die Uhr erteilte ihm knappe Befehle. »Geh ins Bett!« »Spül das Geschirr!« »Mach das Licht aus!« Anfangs ignorierte er das Geräusch, doch die Uhr wiederholte die Anweisungen immer wieder und stets mit denselben Worten. Irgendwann begann er, den Befehlen Folge
zu leisten, und die Uhr übernahm sein Leben. Sie sagte ihm, was er zu Abend essen und sich im Fernsehen anschauen sollte, wann er die Wäsche waschen und welche Anrufe er erwidern sollte…
    Als er zum ersten Mal in meinem Behandlungszimmer saß, fragte ich ihn, ob er Tee oder Kaffee wollte. Zunächst antwortete er nicht. Er schlenderte beiläufig zu der Uhr an der Wand, drehte sich nach einem Moment wieder um und sagte, ein Glas Wasser wäre nett.
    Seltsamerweise wollte er nicht geheilt werden. Er hätte alle Uhren in seinem Haus entfernen oder auf digitale Zeitanzeigen umstellen können, aber irgendetwas an den Stimmen fand er beruhigend, ja sogar tröstend. Seine Frau war offenbar eine pingelige und gut organisierte Seele gewesen, die ihm Listen geschrieben, seine Kleidung ausgewählt und alle Entscheidungen für ihn getroffen hatte.
    Er wollte also nicht, dass ich die Stimmen zum Verstummen brachte, er wollte in der Lage sein, sie überallhin mitzunehmen. Im Haus hatte er bereits in jedem Zimmer eine Uhr installiert, aber was geschah, wenn er nach draußen ging?
    Ich schlug eine Armbanduhr vor, aber Armbanduhren sprachen aus irgendeinem Grund nicht laut genug oder in zusammenhanglosen Fetzen. Nach langem Nachdenken kaufte er sich auf Gray’s Antik-Markt eine Taschenuhr, nachdem er mehr als eine Stunde diversen altmodischen Modellen gelauscht hatte, bis er eine fand, die buchstäblich zu ihm sprach.
    Die Uhr, die ich höre, könnte auch der klappernde Motor des Landrover sein. Oder die Weltuntergangsuhr – sieben Minuten vor Mitternacht. Meine perfekte Vergangenheit verblasst zu Geschichte,

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