Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Spielen in Atlanta die Fackel entzündete, blieb auf dem gesamten Planeten kein Auge trocken.
Warum haben wir geweint? Weil ein großer Sportler zu einem schlurfenden, murmelnden, zuckenden Krüppel reduziert worden war. Ein Mann, der einst getanzt hatte wie ein Schmetterling, zitterte nun wie ein Wackelpudding.
An die Sportler erinnern wir uns immer. Wenn der Körper einen Wissenschaftler wie Stephen Hawking im Stich lässt, denken wir, dass er in seinem Kopf weiterleben kann, aber ein verkrüppelter Athlet ist wie ein Vogel mit gebrochenem Flügel. Wenn man sich in solche Höhen erhebt, ist die Landung umso härter.
Es ist Freitag, und ich sitze in Jocks Praxis. Sein wirklicher Name lautet Dr. Emlyn Robert Owens – ein Schotte mit einem walisischen Namen –, doch ich habe ihn schon immer nur unter seinem Spitznamen gekannt.
Er ist ein massiger, beinahe quadratischer Mann mit kräftigen Schultern und einem Stiernacken und erinnert eher an einen ehemaligen Boxer als einen Hirnchirurg. In seiner Praxis hängen Drucke von Salvador Dalí an der Wand, daneben ein signiertes Foto von John McEnroe mit dem Pokal von Wimbledon. McEnroe hat geschrieben: »Das kann nicht Ihr Ernst sein!«
Jock macht mir ein Zeichen, auf dem Untersuchungstisch Platz zu nehmen und rollt seine Hemdsärmel auf. Er hat dicke, gebräunte Unterarme, weshalb er einen Tennisball mit der Wucht einer Exocet-Rakete schlagen kann. Mit Jock Tennis zu spielen, ist zu achtzig Prozent Schmerz. Alles kommt direkt auf deinen Körper zugeschossen. Selbst wenn der Court völlig offen ist, versucht er, den Ball direkt durch dich hindurch zu dreschen.
Meine regelmäßigen freitäglichen Tennismatches gegen Jock haben nichts mit Liebe zum Sport zu tun – es geht um die Vergangenheit. Es geht um ein großes schlankes College-Mädchen, was sich für mich statt für ihn entschieden hat. Das ist beinahe zwanzig Jahre her, und jetzt ist sie meine Frau. Aber er ist immer noch sauer.
»Wie geht es Julianne?«, fragt er und leuchtet mir mit einer Stiftlampe in die Augen.
»Gut.«
»Wie fand sie deinen Auftritt auf der Dachkante?«
»Sie redet noch mit mir.«
»Hast du irgendwem von deinem Zustand erzählt?«
»Nein. Du hast doch gesagt, ich soll ganz normal weitermachen. «
»Ja. Normal! « Er öffnet eine Mappe und notiert etwas. »Irgendwelche Anzeichen von Tremor?«
»Eigentlich nicht. Wenn ich mich aus einem Sessel oder dem Bett erheben will, sagt mein Verstand manchmal, steh auf, aber es passiert nichts.«
Er macht sich eine weitere Notiz. »Das nennt man Startschwierigkeiten. Die habe ich ständig – vor allem wenn Rugby im Fernsehen läuft.«
Er geht demonstrativ von einer Seite zur anderen und beobachtet, ob meine Augen ihm folgen. »Wie schläfst du?«
»Nicht so gut.«
»Du solltest dir so eine Entspannungs-Kassette besorgen. Du kennst die Dinger. Irgendein Typ mit einer echt langweiligen Stimme redet dich in den Schlaf.«
»Dafür komme ich doch immer noch hierher.«
Jock schlägt besonders hart mit seinem Gummihammer auf mein Knie, sodass ich zusammenzucke.
»Das muss dein Musikantenknochen gewesen sein«, sagt er sarkastisch und macht einen Schritt zurück. »Okay, du kennst die Prozedur.«
Ich schließe die Augen und führe die Hände zusammen – Zeigefinger gegen Zeigefinger, Mittelfinger gegen Mittelfinger und so weiter. Ich schaffe es beinahe, doch meine Ringfinger gleiten aneinander vorbei. Ich versuche es erneut, und dieses Mal treffen sich meine Mittelfinger nicht.
Jock legt seinen Ellenbogen auf den Tisch und fordert mich zum Armdrücken heraus.
»Wirklich erstaunlich, eure modernen Behandlungsmethoden«, sage ich und setze mich ihm gegenüber. Seine Faust zermalmt meine Finger. »Ich wette, das machst du nur zur persönlichen
Befriedigung. Es hat mit meiner Untersuchung wahrscheinlich gar nichts zu tun.«
»Wie hast du das erraten«, sagt Jock und ich drücke gegen seinen Arm. Ich spüre, wie mein Gesicht rot anläuft. Er spielt mit mir. Ich würde den Mistkerl liebend gern nur ein einziges Mal platt machen.
Schließlich gestehe ich meine Niederlage ein, lasse mich zurücksinken und dehne die Finger. Ohne dass er mich dazu auffordern muss, stehe ich auf und beginne im Zimmer auf und ab zu gehen, wobei ich mich bemühe, wie beim Marschieren die Arme mitschwingen zu lassen. Mein linker Arm hängt schlaff herunter.
Jock löst das Zellophanpapier um seine Zigarre und knipst das Ende ab. Er lässt seine Zunge über die
Weitere Kostenlose Bücher