Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
paar Plastikbecher.
Demonstrativ langsam schlendert der Sergeant zu einer Reihe von Aktenschränken an der Rückwand. Ein Keks klebt an der Rückseite seiner Hose, und der rosafarbene Zuckerguss schmilzt auf seinem Hintern. Ich gönne mir ein Lächeln.
Laut der Anzeige wurde Bobby vor 18 Tagen in der Londoner Innenstadt festgenommen. Er bekannte sich vor dem Bow Street Magistrates’ Court schuldig und wurde gegen Kaution und die Auflage entlassen, sich am 24. Dezember wieder im Old Bailey zu melden. Der Tatvorwurf lautet auf einen minderschweren Fall von gefährlicher Körperverletzung. Die Höchststrafe beträgt fünf Jahre Haft.
Bobbys Aussage umfasst drei zweizeilig betippte Seiten mit paraphierten handschriftlichen Korrekturen. Er erwähnt weder den kleinen Jungen noch seinen Streit mit dem Juwelier. Die Frau hatte sich vorgedrängt. Dafür musste sie mit einem Kieferbruch, einem eingedrückten Wangenknochen, einer gebrochenen Nase und drei gequetschten Fingern bezahlen.
»Wo kann ich die genauen Kautionsauflagen erfahren?«
Der Sergeant blättert die Akte durch und fährt mit einem Finger über ein Gerichtsdokument.
»Eddie Barrett hat das Mandat«, grunzt er angewidert. »Er wird die Sache auf einfache Körperverletzung runterhandeln, bevor Sie Muh sagen können.«
Wie kommt Bobby zu einem Anwalt wie Eddie Barrett? Er
ist der berühmteste Strafverteidiger des Landes mit einem Talent für Eigenreklame und der Gabe, perfekte Soundschnipsel abzusondern.
»Wie hoch war die Kaution?«
»Fünf Riesen.«
Das erscheint mir in Anbetracht der Umstände, unter denen Bobby lebt, eine unmögliche Summe.
Ich schaue auf die Uhr. Es ist immer noch nicht später als Viertel vor fünf, als Eddies Sekretärin das Telefon beantwortet, während ich Eddie im Hintergrund brüllen höre. Sie entschuldigt sich und bittet mich zu warten. Die beiden schreien sich gegenseitig an. Es hört sich an wie eine Radioversion von Kasperletheater. Schließlich meldet sie sich am Telefon zurück. Eddie kann zwanzig Minuten für mich erübrigen.
Zu Fuß ist man schneller in der Chancery Lane als mit dem Taxi. Nachdem mir die Haustür aufgedrückt wurde, steige ich eine enge Treppe in den dritten Stock hinauf und bahne mir einen Weg zwischen den Kartons mit Gerichtsakten, die auf jedem freien Fleck gestapelt stehen.
Eddie telefoniert. Er macht mir ein Zeichen, einzutreten und Platz zu nehmen. Ich muss zwei weitere Akten aus dem Weg räumen, bevor ich mich auf den Stuhl setzen kann. Eddie sieht aus wie Ende fünfzig, ist aber wahrscheinlich zehn Jahre jünger. Jedes Mal wenn er im Fernsehen interviewt wird, muss ich an eine Bulldogge denken. Er hat die gleiche bullige Art mit fast starren Schultern und beweglichem Hintern. Er hat sogar große Schneidezähne, die bestimmt ganz praktisch sind, wenn er Leute in Stücke reißt.
Als ich Bobbys Namen erwähne, wirkt Eddie enttäuscht. Ich glaube, er hatte auf ein Kunstfehler-Verfahren gehofft. Er dreht sich mit seinem Stuhl und beginnt, die Schubladen eines Aktenschrankes zu durchsuchen.
»Was hat Bobby Ihnen von dem Angriff erzählt?«
»Sie haben seine Aussage doch gelesen.«
»Hat er erwähnt, dass er einen kleinen Jungen gesehen hat?«
»Nein«, unterbricht Eddie mich müde. »Hören Sie, Roseanne, ich will Ihnen ja nicht gleich unfreundlich kommen, aber können Sie mir verdammt noch mal erklären, warum ich überhaupt mit Ihnen rede? Nichts für ungut.«
»Schon gut.« Von nahem ist er deutlich unangenehmer als im Fernsehen. Ich setzte neu an. »Hat Bobby die Tatsache erwähnt, dass er in psychologischer Behandlung ist?«
Eddies Laune bessert sich. »Scheiße, nein! Erzählen Sie mir mehr.«
»Er kommt seit etwa einem halben Jahr zu mir. Außerdem glaube ich, dass er früher schon einmal begutachtet wurde, aber ich habe keine Unterlagen darüber.«
»Eine Vorgeschichte von Geisteskrankheit – das wird ja immer besser.« Er nimmt ein klingelndes Telefon ab und bedeutet mir mit der anderen Hand, weiterzureden. Er versucht, zwei Gespräche gleichzeitig zu führen.
»Hat Bobby Ihnen erzählt, warum er ausgeflippt ist?«
»Sie hat ihm das Taxi weggeschnappt.«
»Das ist wohl kaum ein Grund.«
»Haben Sie je versucht, an einem feuchten Freitagnachmittag in Holborn ein Taxi zu ergattern?«, gibt er glucksend zurück.
»Ich glaube, es steckt mehr dahinter.«
Eddie seufzt. »Hören Sie, Pollyanna, ich fordere meine Mandanten nicht auf, die Wahrheit zu sagen. Ich sorge nur dafür,
Weitere Kostenlose Bücher