Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Krankenschwester sein sollte. Achtzig Bewerberinnen hatten sich gemeldet. Ich werde immer aufgeregter, während ich
Simon die Zusammenhänge erkläre. »Meena wollte eine engere Auswahl von zwölf Bewerberinnen treffen.«
»Und eine davon war Catherine.«
»Ja. Vielleicht. So muss es sein. Das würde den Anruf erklären. Meena wird es wissen.« Wusste Catherine, dass sie sich als meine Sekretärin bewarb? Meena musste meinen Namen erwähnt haben. Vielleicht wollte Catherine mich überraschen. Oder vielleicht dachte sie, dass ich sie gar nicht zu einem Bewerbungsgespräch einladen würde.
Simon packt die Krawatte zwischen zwei Fingern wie mit einer Schere, als wollte er sie abschneiden. »Warum sollte eine Frau, die dich des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hat, sich als deine Sekretärin bewerben?« Er klingt wie ein Staatsanwalt.
»Ich habe sie nicht sexuell missbraucht.«
Das lässt er unkommentiert. Stattdessen sieht er auf die Uhr und klappt seinen Aktenkoffer zu. »Ich denke, du solltest keine weiteren Fragen beantworten.«
»Warum nicht?«
»Weil du das Loch, in dem du steckst, immer tiefer gräbst.«
Simon schlüpft in seinen Mantel und bückt sich, um einen Schmutzfleck von seinen spiegelblanken schwarzen Schuhen zu wischen. »Sie haben noch acht Stunden. Wenn sie nicht mit irgendwas Neuem kommen, bist du heute Abend zu Hause.«
Die Hände unter dem Kopf verschränkt liege ich auf meiner Pritsche und starre an die Decke. In eine Ecke hat jemand gekritzelt: »Ein Tag ohne Sonnenlicht ist wie… Nacht.« Die Decke ist bestimmt vier Meter hoch. Wie um Himmels willen ist er dorthin gekommen?
Von der Welt weggeschlossen zu sein, ist ein eigenartiges Gefühl. Ich habe keine Ahnung, was in den letzten achtundvierzig Stunden passiert ist, und frage mich, was ich verpasst habe. Charlies Weihnachtsferien haben angefangen; wahrscheinlich ist der Kessel repariert; Julianne wird die Geschenke eingepackt
und unter den Baum gelegt haben… Jock wird sein Weihnachtsmannkostüm entstaubt und seine alljährliche Runde durch die Kinderstationen begonnen haben. Und dann ist da noch Bobby – was hat er getan?
Am Nachmittag werde ich erneut ins Vernehmungszimmer gebracht, wo mich Ruiz und derselbe Detective wie beim letzten Mal erwarten. Außer Atem vom Treppensteigen trifft Simon ein, in der Hand ein in Plastik verpacktes Sandwich und eine Flasche Orangensaft.
»Spätes Mittagessen«, entschuldigt er sich.
Der Kassettenrekorder wird eingeschaltet.
»Professor O’Loughlin, bitte helfen Sie mir in einem Punkt weiter.« Ruiz lächelt verschwörerisch. »Stimmt es, dass Mörder häufig an den Tatort zurückkehren?«
»Ein ›Signatur-Mörder‹ kehrt manchmal dorthin zurück, aber in den meisten Fällen ist es eher ein moderner Mythos.«
»Was ist denn ein ›Signatur-Mörder‹?«
»Jeder Mörder hinterlässt eine Art Verhaltensabdruck – wie ein verbrecherischer Schatten, der am Tatort zurückbleibt, eine Unterschrift. Das kann die Art sein, wie er eine Naht ausführt oder wie er eine Leiche entsorgt. Manche treibt es auch an den Tatort zurück.«
»Warum?«
»Dafür gibt es eine Reihe möglicher Gründe. Vielleicht wollen sie ihre Tat in der Fantasie noch einmal nacherleben oder ein Andenken mitnehmen. Manche fühlen sich schuldig oder wollen einfach in der Nähe bleiben.«
»Derselbe Grund, aus dem Kidnapper oft bei der Suche helfen? «
»Ja.«
»Oder Brandstifter bei den Löscharbeiten?«
Ich nicke. Der Sergeant neben Ruiz gibt den Ölgötzen. Ruiz öffnet eine Aktenmappe und nimmt mehrere Fotos heraus.
»Wo waren Sie am Sonntag, den 24. November?«
Das ist es also – das haben sie entdeckt.
»Ich habe meine Großtante besucht.«
Für einen Moment flackert Erregung in seinem Blick auf. »Um wie viel Uhr?«
»Vormittags.«
»Und wo wohnt sie?«
»Auf dem Friedhof von Kensal Green.«
Die Wahrheit enttäuscht ihn sichtlich. »Aufnahmen der Überwachungskameras zeigen Ihren Wagen auf dem Parkplatz.« Er schiebt mir die Fotos über den Tisch. Darauf drücke ich Charlie einen Karton mit Blättern in die ausgestreckten Arme.
Ruiz nimmt einen weiteren Zettel aus der Akte. »Erinnern Sie sich noch, wie wir die Leiche entdeckt haben?«
»Sie sagten, ein Hund hätte sie aufgestöbert.«
»Der Anrufer hat weder Namen noch Telefonnummer hinterlassen. Er hat aus einer öffentlichen Telefonzelle in der Nähe des Friedhofseingangs angerufen. Haben Sie dort irgendjemanden gesehen?«
»Nein.«
»Haben
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