Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
bin so erleichtert, dass ich lachen muss. Ich wollte nicht, dass er mich irgendwie anders behandelt.
»Wo genau waren Sie trinken?«
»In verschiedenen Pubs und Weinlokalen.«
»Wo?«
»Leicester Square, Covent Garden…«
»Können Sie eines dieser Lokale benennen?«
Ich schüttele den Kopf.
»Kann irgendjemand Ihren Aufenthaltsort bestätigen?«
»Nein.«
»Wann sind Sie nach Hause gekommen?«
»Ich bin gar nicht nach Hause gekommen.«
»Wo haben Sie die Nacht verbracht?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
Ruiz wendet sich an Simon. »Mr. Koch, können Sie Ihrem Mandanten bitte erklären – «
»Mein Mandant hat deutlich gemacht, dass er sich nicht erinnert, wo er die Nacht verbracht hat. Er ist sich der Tatsache bewusst, dass dies seine Lage nicht verbessert.«
Ruiz’ Miene ist schwer zu deuten. Er sieht auf seine Uhr, verkündet
die Zeit und schaltet den Kassettenrekorder ab. Die Vernehmung ist beendet. Ich blicke von Gesicht zu Gesicht und frage mich, was als Nächstes geschieht. Ist es vorbei?
Die junge Wachtmeisterin kommt zurück in den Raum.
»Sind die Fahrzeuge bereit?«, fragt Ruiz.
Sie nickt und hält die Tür auf. Ruiz marschiert hinaus, während mir der junge Detective Handschellen anlegt. Als Simon protestieren will, überreicht man ihm eine Kopie des Durchsuchungsbefehls. Die Adresse steht in Großbuchstaben auf beiden Seiten des Blattes. Ich fahre nach Hause.
Meine lebhafteste Kindheitserinnerung an Weihnachten gilt dem Krippenspiel der anglikanischen St. Mark’s Schule, in der ich einen Auftritt als einer der drei Weisen aus dem Morgenland hatte. Denkwürdig war die Aufführung, weil Russell Cochrane, der das Jesuskind spielte, so nervös war, dass er sich in die Hose machte, von wo aus die Bescherung über das blaue Gewand der Jungfrau Maria leckte. Jenny Bond, eine überaus hübsche Maria, war so wütend, dass sie Russell auf den Kopf fallen ließ und ihm einen schwungvollen Tritt in den Unterleib verpasste.
Im Publikum erhob sich ein kollektives Stöhnen, das jedoch von Russells Schmerzensgeheul übertönt wurde. Die gesamte Aufführung geriet aus den Fugen, und der Schlussvorhang fiel verfrüht.
Die Farce, die sich hinter der Bühne abspielte, war noch packender. Russells Vater, ein großer Mann mit einem Kopf wie eine Kugel, war ein Sergeant bei der Polizei, der manchmal in die Schule kam, um Vorträge über Sicherheit im Straßenverkehr zu halten. Er drängte Jenny Bond hinter der Bühne in eine Ecke und drohte, sie wegen Körperverletzung festzunehmen. Jennys Vater lachte. Das war ein großer Fehler. Sergeant Cochrane legte ihm auf der Stelle Handschellen an und marschierte mit ihm über die Stafford Street zur Polizeiwache, wo er die Nacht verbringen musste.
Unser Krippenspiel schaffte es landesweit in die Zeitungen. »Vater der Jungfrau Maria verhaftet«, berichtete die Schlagzeile der Sun , und der Star schrieb: »Jesuskind: Tritt in die Murmeln. «
Ich muss wegen Charlie wieder daran denken. Wird sie mich flankiert von Polizisten in Handschellen sehen? Und was wird sie dann von ihrem Vater denken?
Das Zivilfahrzeug der Polizei fährt aus der Tiefgarage ans Tageslicht. Simon, der neben mir sitzt, breitet einen Mantel über meinen Kopf. Durch die feuchte Wolle kann ich das Blitzlichtgewitter der Kameras ausmachen. Ich weiß nicht, wie viele Fotografen und Kameraleute uns draußen erwartet haben. Ich höre nur ihre Stimmen und spüre, wie der Polizeiwagen beschleunigt und sie hinter sich lässt.
In der Marylebone Road geht es nur im Schritttempo vorwärts. Mir ist, als würden die Fußgänger gaffend stehen bleiben, und ich bin überzeugt, dass sie mich anstarren und sich fragen, wer ich bin und was ich im Fonds eines Polizeiwagens mache.
»Kann ich meine Frau anrufen?«, frage ich.
»Nein.«
»Sie weiß nicht, dass wir kommen.«
»Genau.«
»Aber sie weiß noch gar nicht, dass man mich verhaftet hat.«
»Sie hätten es ihr sagen sollen.«
Plötzlich fällt mir meine Praxis ein. Ich habe heute Patienten. Termine müssen verlegt werden. »Kann ich meine Sekretärin anrufen?«
Ruiz dreht sich zu mir um. »Wir führen parallel eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung Ihrer Praxis durch.«
Ich will widersprechen, doch Simon berührt meinen Ellenbogen. »Das ist das übliche Verfahren«, flüstert er und versucht dabei, ermutigend zu klingen.
Der Konvoi aus drei Polizeiwagen bleibt mitten auf der
Straße stehen und blockiert jede Durchfahrt. Türen
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