Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect
Charlie die Nachricht hören könnte. Am Ende klinge ich wie der Weihnachtsmann. Ich rufe noch einmal an und hinterlasse eine zweite Nachricht, die sich noch schlimmer anhört.
Ich gebe es auf und fange an, meine Unterlagen zu ordnen. Auf der Suche nach irgendetwas hinter den Schubladen Verborgenem hat die Polizei sämtliche Aktenschränke geleert. Als Fenwick den Kopf durch die Tür steckt, blicke ich auf.
»Hast du einen Augenblick, alter Junge?«
»Ja?«
»Schreckliche Geschichte das Ganze. Ich wollte bloß ›Kopf hoch‹ und so sagen. Lass dich von den Mistkerlen nicht fertig machen.«
»Das ist sehr nett von dir, Fenwick.«
Er tritt von einem Fuß auf den anderen. »Schreckliche Geschichte, wie gesagt. Wirklich ärgerlich. Ich bin sicher, du verstehst. Mit der ganzen negativen Presse und dergleichen …« Er sieht zum Erbarmen aus.
»Was ist los, Fenwick?«
»Unter den gegebenen Umständen, alter Junge, hat Geraldine vorgeschlagen, dass es vielleicht besser wäre, wenn du nicht mein Trauzeuge bist. Was würden die anderen Gäste sagen? Tut mir furchtbar Leid. Ich hasse es zuzutreten, wenn jemand schon am Boden liegt.«
»Das ist schon in Ordnung. Viel Glück.«
»Prima. Also … ähm … dann lasse ich dich mal wieder allein. Wir sehen uns heute Nachmittag auf der Versammlung.«
»Welche Versammlung?«
»Oje, hat dir das noch niemand gesagt? So ein Ärger!« Sein Gesicht läuft dunkelrosa an.
»Nun, es ist eigentlich nicht meine Aufgabe …«, murmelt er kopfschüttelnd. »Die Partner treffen sich um vier. Einige von uns – ich selber natürlich nicht – sind ein wenig besorgt über mögliche Auswirkungen des Ganzen auf die Praxis. Die negative Presse und dergleichen. Es ist nie gut, wenn die Polizei Räumlichkeiten durchsucht und Reporter Fragen stellen. Das verstehst du doch.«
»Selbstverständlich.« Ich lächele mit zusammengebissenen Zähnen. Fenwick hat bereits den Rückzug angetreten, und Meena wirft ihm einen Blick zu, der ihn endgültig die Flucht ergreifen lässt.
Es gibt keine wohlwollende Betrachtungsweise. Meine geschätzten Kollegen wollen über meinen Status als Partner der Praxisgemeinschaft diskutieren – um mich zu verbannen. Man wird auf meine Kündigung drängen. Man wird sich auf eine Sprachregelung einigen, und in einem Gespräch mit dem Leiter der Buchhaltung wird das Ganze ohne großes Theater abgewickelt. Von wegen!
Fenwick ist schon auf halbem Weg den Flur hinunter. »Sag ihnen, dass ich die Praxis verklage, wenn sie versuchen, mich rauszudrängen«, rufe ich ihm nach. »Ich kündige nicht!«
Meena wirft mir einen solidarischen Blick zu. Darin liegt jedoch noch etwas anderes, das man für Mitleid halten könnte. Ich bin es nicht gewohnt, den Leuten Leid zu tun.
»Ich denke, Sie sollten nach Hause gehen. Es ist sinnlos, hier zu bleiben«, erkläre ich ihr.
»Und wer beantwortet das Telefon?«
»Ich erwarte keine Anrufe.«
Es dauert zwanzig Minuten, bis Meena tatsächlich geht, nachdem sie den Schreibtisch aufgeräumt und mich verdrießlich angesehen hat, als würde sie irgendeinen Loyalitätskodex
für Sekretärinnen verletzen. Als ich alleine bin, lasse ich die Jalousien herunter, schiebe die unsortierten Akten beiseite und lehne mich in meinem Stuhl zurück.
Welchen Spiegel habe ich zerbrochen? Welche schwarze Katze hat meinen Weg gekreuzt? Ich glaube nicht an Gott oder Schicksal oder Bestimmung. Vielleicht ist es das »Gesetz des Durchschnitts«. Vielleicht hat Elisa Recht. Mein Leben war zu leicht. Nachdem ich bisher bei fast jedem wichtigen Münzwurf gewonnen habe, ist mir nun das Glück ausgegangen.
Die alten Griechen sagten immer, dass die Glücksgöttin ein sehr hübsches Mädchen sei, das sich unter die Menschen auf der Straße mischte. Vielleicht war ihr Name Karma. Sie ist eine launische Geliebte, eine kluge Frau, eine Landstreicherin und Manchester United Fan. Früher war sie die meine.
Auf dem Weg nach Covent Garden regnet es. In dem Restaurant schüttele ich meinen Mantel aus und reiche ihn einer Kellnerin. Elisa kommt eine Viertelstunde später in einem schwarzen Mantel mit Pelzkragen. Darunter trägt sie ein dunkelblaues Top mit Spaghetti-Trägern und einen dazu passenden Minirock und dunkle Strümpfe mit Naht. Sie tupft sich das Gesicht mit einer Leinenserviette ab und fährt sich mit den Fingern durchs Haar.
»Ich vergesse jedes Mal, einen Regenschirm mitzunehmen.«
»Wieso?«
»Früher hatte ich einen mit geschnitztem Griff und
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