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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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unverändert. Er ist wie ein Poker-Spieler ohne verräterische Ticks.
    »Alles, was ich in meinem Leben getan habe und jeder, mit dem ich in Kontakt gekommen bin, ist wichtig – die Guten, die Schlechten und die Hässlichen«, erklärt er mit triumphierendem Unterton. »Wir sind alle die Summe unserer Teile oder Teil unserer Summen. Sie sagen, dass dies kein Spiel wäre, aber Sie irren sich. Es ist das Spiel Gut gegen Schlecht. Weiß gegen Schwarz. Manche Menschen sind Bauern und andere Könige.«
    »Und was bist du?«, frage ich.
    Er denkt darüber nach. »Früher einmal war ich ein Bauer, aber ich habe das Ende des Brettes erreicht. Jetzt kann ich alles sein.«
     
    Bobby seufzt und steht auf. Das Gespräch fängt an, ihn zu langweilen. Die Sitzung dauert erst eine halbe Stunde, doch er hat schon genug. Die Sitzung hätte nie anfangen dürfen. Eddie Barrett wird sich freuen.
    Ich folge Bobby ins Vorzimmer. Ein Teil von mir möchte, dass er bleibt. Ich möchte den Baum schütteln und sehen, was von den Zweigen fällt. Ich will die Wahrheit.
    Bobby wartet am Fahrstuhl. Die Tür geht auf.
    »Viel Glück.«
    Er dreht sich um und sieht mich merkwürdig an. »Ich brauche kein Glück.« Seine nach oben gezogenen Mundwinkel wecken die Illusion eines Lächelns.
    Als ich wieder an meinem Schreibtisch sitze und auf den leeren Stuhl starre, fällt mir ein Gegenstand auf dem Boden ins
Auge. Er sieht aus wie eine kleine geschnitzte Figurine – eine Schachfigur. Als ich sie aufhebe, sehe ich, dass es ein handgeschnitzter hölzerner Wal ist, an dessen Rücken an einer winzigen Öse ein Schlüsselring befestigt ist. Es ist etwas, das man für gewöhnlich am Turnbeutel oder Ranzen eines Kindes hängen sieht.
    Bobby muss es verloren haben. Ich kann ihn noch einholen. Ich kann unten im Foyer anrufen, damit der Wachmann ihn aufhält. Ich sehe auf die Uhr. Zehn nach vier, oben hat die Versammlung begonnen. Ich will nicht hier sein.
     
    Bobby sticht schon durch seine schiere Größe hervor. Er ist einen Kopf größer als alle anderen, und die Fußgängerströme teilen sich, um ihn durchzulassen. Es regnet. Ich schiebe die Hände in die Manteltaschen und meine Finger schließen sich um den glatten Holzwal.
    Bobby geht in Richtung U-Bahnstation Oxford Circus. Wenn ich dicht genug dran bleibe, werde ich ihn in den labyrinthischen Gängen des Bahnhofs hoffentlich nicht verlieren. Ich weiß nicht, warum ich das tue. Vermutlich will ich einfach Antworten statt Rätsel. Ich will wissen, wo er wohnt und mit wem er zusammenlebt.
    Plötzlich verschwindet er von der Bildfläche. Ich unterdrücke den Impuls loszurennen und gehe im selben Tempo weiter an einem Spirituosenladen vorbei. Am Tresen sehe ich Bobby stehen. Ich betrete ein Reisebüro zwei Türen weiter. Ein Mädchen in rotem Rock und weißer Bluse mit Schleifenkragen lächelt mich an.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich gucke nur.«
    »Wollen Sie dem Winter entfliehen?«
    Ich greife einen Prospekt über die Karibik. »Ja, genau.« Bobby geht am Fenster vorbei. Ich gebe ihr den Prospekt. »Den können Sie mitnehmen«, schlägt sie vor.

    »Vielleicht nächstes Jahr.«
    Draußen sehe ich, dass Bobby etwa dreißig Meter Vorsprung hat. Seine Gestalt ist unverwechselbar. Er hat keine Hüften und sieht aus, als hätte man ihm den Hintern geklaut. Er hat die Hose bis zum Bauch hochgezogen und den Gürtel fest gezurrt.
    Auf der Treppe in den U-Bahnhof hinunter scheint die Menschenmenge anzuschwellen. Bobby hat ein Ticket bereit. Vor jedem Fahrkartenautomaten steht eine Schlange. Am Oxford Circus kreuzen sich drei U-Bahnlinien – wenn ich ihn jetzt verliere, kann er in sechs verschiedene Richtungen verschwinden.
    Ich dränge mich zwischen den Menschen hindurch, ohne ihre Beschwerden zu beachten. Ich packe das Drehkreuz am Eingang diesseits und jenseits der Sperre und schwinge beide Beine über die Barriere, womit ich mich der Beförderungserschleichung schuldig mache. Die Rolltreppe fährt langsam abwärts. Ein abgestandener Wind weht, von den Zügen vor sich hergeschoben, aus den Tunneln nach oben.
    Auf dem Bahnsteig der Bakerloo-Linie Richtung Norden bahnt sich Bobby einen Weg durch die wartende Menge bis zum anderen Ende. Ich bleibe ihm dicht auf den Fersen, obwohl ich ständig damit rechne, dass er sich umdreht und mich entdeckt. An der Bahnsteigkante rangeln vier oder fünf Schüler, menschliche Petrischalen voll Akne und Schuppen, schubsen sich gegenseitig und lachen. Alle anderen starren

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