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Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect

Titel: Adrenalin - Robotham, M: Adrenalin - The Suspect Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Jalousien fällt, sehe ich Aluminiumschalen mit gelben und orangefarbenen Saucenflecken am Rand, die sich neben dem Waschbecken stapeln. Die Fernbedienung des Fernsehers drückt mir ins Kreuz, die Programmzeitschrift klemmt unter meinem Kopf. Ich weiß nicht, wie ich es überhaupt geschafft habe zu schlafen.
    Meine Gedanken kehren immer wieder zurück zu Julianne und dem Blick, den sie mir zugeworfen hat. Er ging weit über bloße Enttäuschung hinaus. Auch Traurigkeit ist als Wort nicht groß genug. Es war, als ob etwas in ihr gefroren wäre. Wir streiten
nur sehr selten. Julianne kann mit Gefühl und Leidenschaft diskutieren. Wenn ich versuche, zu schlau zu sein, oder unsensibel werde, wirft sie mir Arroganz vor, und ich sehe die Verletzung in ihrem Blick. Dieses Mal habe ich nur Leere gesehen. Eine endlose, windgepeitschte Landschaft, bei deren Durchquerung ein Mann sterben könnte.
    Jock ist schon wach, ich höre ihn unter der Dusche singen. Ich versuche, meine Füße auf den Boden zu setzen, doch nichts geschieht. Einen flüchtigen Moment habe ich Angst, gelähmt zu sein. Dann merke ich, dass ich das Gewicht der Decke spüre. Ich konzentriere mich, und meine Beine reagieren widerwillig.
    Die Bradykinese wird deutlicher. Stress ist ein Faktor bei Parkinson. Ich soll viel schlafen, regelmäßig Sport treiben und versuchen, mir keine Sorgen zu machen. Ja, klar!
    Jock lebt in einem Häuserblock mit Blick auf Hampstead Heath. Im Erdgeschoss gibt es einen Portier, der einem einen Schirm hält, wenn es regnet. Er trägt eine Uniform und nennt die Leute ›Madam‹ und ›Sir‹. Früher gehörten Jock und seiner Frau das ganze oberste Stockwerk, aber seit der Scheidung kann er sich nur noch eine Zwei-Zimmer-Wohnung leisten. Außerdem musste er seine Harley verkaufen und ihr das Haus in den Cotswolds überlassen. Jedes Mal wenn er einen teuren Sportwagen sieht, behauptet er, dass er Natasha gehört.
    »Rückblickend sind es nicht die Exfrauen, die mir Angst machen, es sind die Schwiegermütter«, sagt er. Seit seiner Scheidung ist er zu einer Art streunender Essensgast geworden, wie Jeffrey Bernard sagen würde, der von außen hereinschaut und eine Fliege an der Wand anderer Leute Ehen ist.
    Jocks und meine Beziehung reicht viel weiter zurück als bis zu unserer Studienzeit. Derselbe Gynäkologe hat uns im selben Krankenhaus am gleichen Tag nur acht Minuten nacheinander zur Welt gebracht. Das war am 18. August 1960 im Queen Charlotte’s Maternity Hospital in Hammersmith. Unsere Mütter
haben denselben Kreißsaal benutzt, und der Gynäkologe musste zwischen den Vorhängen hin und her hetzen.
    Ich kam zuerst. Jock hatte einen derart großen Kopf, dass er stecken blieb und mit einer Geburtszange geholt werden musste. Hin und wieder macht er noch heute Witze darüber, dass er als Zweiter gekommen ist und seither versucht aufzuholen. Aber in Wirklichkeit ist Wettbewerb für ihn nie ein Witz. Wahrscheinlich lagen wir in benachbarten Betten. Vielleicht haben wir uns angesehen und gegenseitig wach gehalten.
    Es sagt viel über die Verschiedenheit individueller Erfahrung, dass wir unser Leben nur Minuten nacheinander begannen, uns aber erst neunzehn Jahre später wieder trafen. Julianne sagt, dass uns das Schicksal zusammengeführt hat. Vielleicht hat sie Recht. Abgesehen davon, dass uns derselbe Arzt an den Füßen hochgehalten und einen Klaps auf den Hintern gegeben hatte, hatten wir wenig gemeinsam. Ich kann nicht erklären, warum Jock und ich Freunde geworden sind. Was hatte ich in die Partnerschaft einzubringen? Er war eine große Nummer auf dem Campus, immer zu den besten Partys eingeladen und stets mit den hübschesten Mädchen flirtend. Meine Dividende war offensichtlich. Aber was bekam er zurück? Vielleicht meinen die Leute das, wenn sie sagen, dass es zwischen Menschen einfach funkt.
    Politisch und bisweilen auch moralisch haben sich unsere Wege schon vor langer Zeit getrennt, aber unsere Geschichte können wir nicht abschütteln. Er war Trauzeuge bei meiner Hochzeit und ich bei seiner. Wir haben Schlüssel für die Häuser des anderen und Kopien unserer Testamente. Geteilte Erfahrung schmiedet einen zusammen, aber es ist nicht nur das.
    Denn bei all seiner reaktionären Empörung ist Jock im Grunde ein großer Softie, der mehr Geld für wohltätige Zwecke gespendet hat, als er einer seiner beiden Exfrauen nach der Scheidung geben musste. Jedes Jahr organisiert er eine Benefiz-Gala für Great Ormond Street, und er

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