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Adrianas Nacht

Adrianas Nacht

Titel: Adrianas Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon von Winterstein
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Es war mir egal, ob sie sich gegenseitig befingern würden oder ihre Nasen ruinierten. Ich verspürte deutlich den Überdruss und fragte Marie, ob sie noch bleiben wolle oder ob ich sie nach Hause bringen könne. Sie schaute mich irritiert an, dachte kurz nach, sagte dann mit einem strahlenden Lächeln: »Klar, gerne, ja, wirklich gerne!«, und ging darauf zu ihrer Truppe, um sich zu verabschieden.
    Ich wartete nicht, bis Nicole wieder auftauchte. Ich würde ihr später eine SMS schicken, dass ich mit Marie, die sie nicht kannte, noch etwas trinken gegangen sei, und Nicole wäre zufrieden, dass ich immerhin mit einer Frau abgezogen war. Sollte da ein Anflug von Schmerz gewesen sein, weil es ihr doch gut gefallen hatte an meiner Seite, so würde der kleine Schmerz an ihrer Oberfläche abprallen, auf den Boden fallen, und dort würde er von der Meute im Club einfach totgetreten werden. Mein kleiner Schmerz, weil es auch mir gut gefallen hatte mit Nicole und sie mich wohl längst wieder vergessen hatte, stach allerdings. Aber das war auch nur meine Eitelkeit, die da gerade eins auf die Mütze bekam.
    Marie und ich fuhren mit vielleicht fünfzehn anderen Nachtgestalten zusammen mit dem Lift aus dem blauen Himmel wieder zurück in die Wirklichkeit. Marie stand erst neben mir, und als immer mehr Leute in den Fahrstuhl kamen, drehte sie sich mit ihrem Rücken zu mir und lehnte sich sanft gegen mich. Ich wand schützend meine Arme um sie und hielt meine Hände auf ihrem Bauch. Sie legte ihre Hände wie selbstverständlich auf meine und streichelte diese in Gedanken und fast unmerklich. Unsere Körper wurden von den anderen Fahrstuhlinsassen gegeneinandergepresst, und mir gefiel das. Maries Körper fühlte sich an meinem ganz wunderbar an, ihr Geruch, der sich aus ihrem exklusiven Parfüm und einer leichten Note ihres Schweißes mischte, umfing mich und nahm mich gefangen. und fast war ich ein wenig traurig, als wir aus dem Fahrstuhl wieder aussteigen mussten.
    Auf dem Weg zum Wagen sagten wir nichts, waren ein wenig verschüchtert, und als wir losfuhren, erstickte ich jedes Gespräch, indem ich eine neue CD von Agnès Obel einlegte, auf deren Cover sie wunderschön und weise neben einer Eule sitzt und auf der jedes Lied von herzzerreißender Schönheit ist und eine unglaubliche Weite und Sehnsucht hat. Ich drehte die Lautstärke hoch, sah, wie sich Marie in ihren Sitz einrollte, ihr Fenster herunterfahren ließ und die Fahrt wie einen traurigen Kinofilm genoss. Maries Adresse kannte ich noch, weil ich sie vor einigen Monaten schon einmal heimgefahren hatte. Damals war mir Marie auf die Weise, wie ich sie heute wahrgenommen hatte, überhaupt nicht aufgefallen. Heute wurde ich trauriger mit jedem Kilometer, den ich auf dem Weg zu ihrer Wohnung zurücklegte, weil mir klar war, dass ich sie nicht begleiten würde. Plötzlich fühlte ich mich beschmutzt von dem, was ich am früheren Abend mit Nicole gemacht hatte. War das richtig, was wir da miteinander anstellten? Uns mit unserer Sehnsucht nach Nähe und unserer irren, niemals befriedigten Lust Öffnungen in unsere Panzer aus Angst und Einsamkeit zu schlagen, damit wir dann unser sehnendes Fleisch ineinanderwerfen konnten, um Nähe zu spüren? Die Öffnungen waren doch Verletzungen, und die hinterließen Narben, die zwar unsichtbar waren, aber Stück für Stück aus unserer frischen Haut eine zerklüftete, verhärtete Landschaft machten.
    Als ich in Maries Straße einbog, legte sie ihre Hand auf meine, und während ich das richtige Haus suchte, betrachtete sie mich verstohlen von der Seite. Ich rollte langsam an den Häusern vorbei und wartete, da ich merkte, dass ich ihr Haus sowieso nicht wiedererkennen würde, ohne dass Marie stopp sagen würde. Haus für Haus ließen wir hinter uns, und nichts geschah. Marie ließ ihre Hand auf meiner liegen, lag wie hingegossen im Beifahrersitz, betrachtete mich und sagte nichts. Wir erreichten das Ende der Straße, und ich blickte sie fragend an. Da lachte sie und sagte: »Ich hatte gehofft, du merkst nichts und nimmst mich einfach mit zu dir, Leon.« Und ich sagte, weil mir in diesem schönen, offenen Moment überhaupt gar nichts einfiel, nur: »Nein, ich glaube, das wäre nicht gut!«
    Ich sah, wie sich Maries Gesicht verhärtete, sich ihr Körper verspannte, ihre Hand von meiner zurückzuckte. Sie setzte sich auf, sah auf den Boden, verletzt, beleidigt, voller Unverständnis und sagte: »Nummer 18, du kannst mich einfach jetzt gleich

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