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Adrianas Nacht

Adrianas Nacht

Titel: Adrianas Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon von Winterstein
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Deinen Mund, so heftig Vereinigung suchend, fordernd, erzwingend, dass es Dir fast den Atem nahm. Und Du kamst in einer stakkatoartigen Stoßkaskade auf Deinem Freund, der in Dir war und der am Schluss auch, zur Explosion gebracht, durch Deine letzten, wilden Stöße sich heiß in Dir ergoss.
    Plötzlich fielen wir zusammen, ineinander verschlungen, in wirren Umarmungen, in verwirrter Liebe zueinander, küssten einander, ohne noch darauf zu achten, wen wir küssten oder wo, und schmeckten einander und legten unsere Hände auf die glühenden Gliedmaßen und trösteten sie. Die Haut war unsere gemeinsame Oberfläche, wir besaßen einander völlig in diesem Moment, und damit war es egal, wer wen besaß. Wichtig war jetzt die Nähe, eins sein mit Dir und Nicole, so leidenschaftlich und radikal geliebt worden zu sein, begehrt worden zu sein, so viel Lust gegeben zu haben, so viel, dass es ausreichte für ein herrliches, lautes, buntes Feuerwerk. Du warst immer noch so geladen, dass Du stöhntest, Dein ganzer Körper Stöhnen war, als ich mich langsam und unwillig aus Dir zog. Denn gern wäre ich dort ewig geblieben. Und ich küsste Dich. Auch Nicole suchte erst Deinen, dann meinen Mund zum Kuss, und dann sagte sie, diese ganze ermattete, leere und doch so liebevolle Situation mit einem Mal in die höchste Höhe des nicht enden wollenden Lachens hinaufschießend: »Scheiße, ihr zwei Süßen habt’s aber richtig drauf! Noch jemand was zu trinken?«

16.
    Den Sonntag verbrachte ich in meiner Wohnung. Telefonierte (nicht mit Marie), sah fern (aber nicht Marie), räumte auf (die Zimmer, nicht mein Leben). Mein Vater meldete sich, Peter (den ich auf den Anrufbeantworter sprechen ließ). Ich war unruhig und deprimiert, brachte nichts zu Ende. Surfte im Internet, während im Fernseher die Serie lief, in der Marie mitgespielt hatte. Allerdings war sie in den Folgen, die gezeigt wurden, schon herausgeschrieben worden. Ich rief eine Klientin an und verabredete mich für die folgende Woche zum Lunch mit ihr, weil ich dachte, dass sie vielleicht Maries Handynummer hätte (hatte sie aber nicht). Marie rief nicht an. Dann rief ich Simone an, klärte, dass ich am Abend wieder auf die Station zu Adriana könne, und fragte sie, ob sie vielleicht vor dem Dienst noch bei mir vorbeikommen wolle. (Wozu denn, Leon? – Weiß auch nicht, Simone!) Ich telefonierte mit Nicole, die gerade Adriana besucht hatte und fand, sie sehe schlechter aus. (Kann ich nachher noch auf einen Sprung bei dir reinschauen, Nicole? – Ach, Hase, ich hab’s ja gern, wenn du bei mir reinschaust, aber ich hab später noch ein Date. Nächste Woche gern wieder …) Dann duschte ich, rasierte mich gründlich, kochte Mikrowellenessen, aß, schlief, und als ich wieder erwachte, lag noch immer der halbe Nachmittag vor mir. Also korrigierte ich meine Adriana-und-Nicole-Geschichte noch einmal und surfte dann ziellos im Internet. Schließlich fuhr ich in die Agentur und arbeitete einige Verpflichtungen auf, die im Tagesgeschäft keinen Platz hatten. Um 16 Uhr hatte ich meine Arbeit getan, Maries Handynummer blieb weiter unbekannt, und ich saß wieder mit der grauen, zehrenden Leere in mir allein da. Spürte, wie die Depression kam, mein Alleinsein zu schmerzen begann.
    Also rief ich Anna an (Anna, kleine Nymphe, vierundzwanzig, spreche Deutsch!), die mir helfen sollte, meine Zeit zu vertreiben oder sie totzuschlagen. Am Handy eine sympathische, junge Stimme: »Ja klar, Schatz, ich komme gern zu dir. Wo bist du? Schick mir deine Adresse doch gleich per SMS, dann bin ich in knapp einer halben Stunde bei dir.«
    40 Minuten später hielt ein silberner BMW vor der Tür des Altbaus, in dem sich unsere Agentur befand. Ich hatte mich mit einem Glas Rotwein auf den Balkon gesetzt, der von meinem Büro abging, und sah, wie sich die Beifahrertür öffnete. Zwei schlanke, lange Beine in schwarzen Strumpfhosen mit schwarzen Pumps schwangen heraus, es folgte ein hellblonder Kopf, eine augenscheinlich hoch attraktive Fremde war da auf dem Weg zu mir. Ich ging zur Tür, wartete auf das Klingeln und zählte dann bis zwanzig, um gleich einen unaufgeregten Eindruck zu vermitteln, dann presste ich den roten Knopf des Türöffners.
    Ich hörte Annas Schritte im Treppenhaus, das Licht ging an, sie kam langsam die Treppe herauf, zögerte vor den Türen der unteren Geschosse, ob sich da eine für sie auftun würde. Offensichtlich war es nicht nötig, sich das Stockwerk des Kunden/Klienten/Freiers

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