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Adrienne Mesurat

Adrienne Mesurat

Titel: Adrienne Mesurat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julien Green
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einnahm, »wir haben Sie draußen auf dem Rasen gefunden. Über fünf Minuten mußten wir Ihnen die Schläfen kühlen und die Wangen tätscheln. Geht es Ihnen besser?«
    Adrienne nickte.
    »So eine Ohnmacht, das ist nicht normal«, fuhr Madame Legras fort. »Und ich hielt Sie für so stark. Aber der Doktor wird gleich kommen.«
    Eine kurze Stille trat ein. Adrienne starrte auf Madame Legras.
    »Der Doktor?« wiederholte sie mit tonloser Stimme.
    »Gewiß. Ich habe vorhin nach ihm geschickt.«
    Mühsam versuchte Adrienne, sich aufzurichten.
    »Ich will ihn nicht sehen«, sagte sie etwas lebhafter, »ich kann nicht.«
    »Beruhigen Sie sich, meine Liebste«, sagte Madame Legras in flehendem Ton; »Sie werden ihn nur sehen, wenn Sie es wünschen. Schon gut, legen Sie sich hin.«
    Adrienne griff nach ihren Händen.
    »Welcher Doktor?« fragte sie.
    »Aber Sie wissen doch, mein armes Kind, daß es nur einen hier gibt. Den von gegenüber.«
    Ein Schrei kam über Adriennes Lippen, und sie ließ ihren Kopf auf Madame Legras' Hände sinken.
    »Mein Gott!« rief diese. »Sie machen mir angst! Was ist denn nun schon wieder? Adrienne!«
    Sie stand auf und wollte ihre Hände wegziehen.
    »Oh! Gehen Sie nicht weg!« bat das junge Mädchen inständig. »Ich werde es Ihnen sagen.«
    »Was denn?« fragte Madame Legras.
    »Setzen Sie sich, ich kann so nicht mit Ihnen sprechen«, fuhr Adrienne fort. »Sie müssen mich anhören, Madame. Oh! Helfen Sie mir.«
    »Aber natürlich, mein armes Kleines. Ich habe Ihnen immer schon geraten, sich mir anzuvertrauen. Reden Sie nur. Sehen Sie, ich sitze, ich höre Ihnen zu.«
    Adrienne verbarg das Gesicht in den Händen.
    »Ich kann diesen Mann nicht sehen«, sagte sie und fügte sofort hinzu: »Heute jedenfalls nicht.«
    »Den Doktor nicht sehen? Aber der wird Sie nicht fressen. Wovor fürchten Sie sich denn?«
    »Sie können das nicht verstehen«, rief das junge Mädchen mit versagender Stimme. »Ich habe entsetzlich gelitten.«
    »Schon gut«, sagte Madame Legras und nahm ihre Hand, »so fassen Sie sich doch. Sie regen sich wegen einer Kleinigkeit auf. Haben Sie mir nicht erzählt, Sie hätten Kopfschmerzen gehabt?«
    »Darum geht es nicht. Sie müßten mich doch verstehen. Ich habe diesen Mann mehrmals gesehen, ich kenne ihn.«
    Sie blickte Madame Legras an, die in ihrem Kopf nach einer Erklärung für diese Worte zu suchen schien. Adrienne fielen die blaugeschminkten Lider auf, die ein dunkler Strich künstlich verlängerte. »Mit einer solchen Frau spreche ich«, dachte sie. »Macht nichts.« Alle Schüchternheit fiel mit einemmal von ihr ab, und sie war drauf und dran zu sagen: »Ich liebe ihn«, als Madame Legras, das Gesicht von einem plötzlich Einfall erleuchtet, ausrief:
    »Sie wollen mir doch nicht sagen, daß Sie in Doktor Maurecourt verliebt sind?«
    Und nach einer zustimmenden Geste Adriennes fügte sie wie vom Donner gerührt hinzu:
    »Mein Kind, das ist doch unmöglich! Ein Mann seines Alters! Er ist fünfundvierzig!«
    »Ich kann nichts dafür!« sagte Adrienne und brach in Tränen aus.
    »Oje!« seufzte Madame Legras. »Aber Kindchen, Sie träumen. Bedenken Sie doch, er hat ein dreizehnjähriges Kind, einen kleinen Jungen, der jetzt gerade seine Ferien in La Tour-l’Evèque verbringt.«
    Adrienne stieß einen Schrei aus.
    »Maurecourt ist verheiratet!«
    »Verheiratet? Nein. Seine Frau ist vor fünf Jahren gestorben. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß er Ihr Vater sein könnte. Und was das Alter angeht, mein Gott, damit könnte man sich noch abfinden; aber sehen Sie ihn sich doch an, mager, spindeldürr, äußerst anfällig, wie es scheint. Besitzt außerdem keinen lumpigen Sou. Das ist doch keine Partie, mein armes Kind.«
    »Was soll mir das ausmachen?« sagte Adrienne und trocknete sich die Augen. »Ich habe ihn nicht geliebt, weil er eine gute Partie ist«, fügte sie stockend hinzu, »ich habe ihn einfach so geliebt.«
    »Genug jetzt!« sagte Madame Legras bestimmt, »es hat keinen Sinn, eine Neigung zu fördern, die zu nichts führt. Sie müssen kuriert werden. Sie sind jung, hübsch, ziemlich reich, oder? Es wäre doch eine Schande, das alles zu vergeuden. Denken Sie ein bißchen daran, was Sie sind, zum Teufel noch mal! Denken Sie an Ihr Glück! Es ist Unsinn, sich in einen solchen Mann zu vernarren. Hören Sie, ich kann diese Geschichte nicht ernst nehmen.«
    Und sie begann zu erklären, warum Doktor Maurecourt in ihren Augen eine völlig unannehmbare Partie

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