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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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der Festungsmauer ein hektisches Treiben aus. Pater Aba traute seinen Augen nicht: Zwei mächtige Holzbohlen senkten sich durch die Luft herab. Dann rastete ein geräumiger hölzerner Würfel in diese Führungsschienen ein, um sodann die Mauer entlang nach unten zu schweben. Das Ganze wurde von vier mächtigen Ketten gehalten und langsam gesteuert.
    Pater Aba kannte dieses Verfahren, das bei der Erneuerung von Kathedralen eingesetzt wurde, um schwere und umfangreiche Gegenstände nach oben zu ziehen. Doch er sah zum ersten Mal, wie dieser Mechanismus dazu benutzt wurde, Männer und Pferde in eine Burg hochzuhieven. Der Lastenaufzug berührte den Boden.
    Zwei Männer stiegen aus der Kutsche. Einer von ihnen war ziemlich fett, und sein mühsamer Gang verriet sein hohes Alter. Er war prächtig gekleidet. Er stützte sich auf die Schulter des anderen.
    Die Tür des Holzkäfigs öffnete sich. Drei Männer - ein Geistlicher und zwei Wachen - befanden sich darin und luden die Ankömmlinge zum Einsteigen ein.
    »Guten Tag, Euer Gnaden«, sagte der Geistliche.
    Der Lastenaufzug erhob sich in die Luft. Pater Aba saß neben den acht anderen schwarz gekleideten Männern im Sattel. Einer von ihnen befahl, dass die Kutsche abgeschirrt wurde. Aba ging ihnen zur Hand. Alles geschah in vollkommenem Schweigen.
    Nach fünfmaligem Auf und Ab war der gesamte Konvoi nach oben in das Kloster befördert. Aba begriff, warum der Lastenaufzug mit Holzbrettern verschlossen war: Es galt zu verhindern, dass die Pferde in Panik ausbrachen, denn in dem Halbdunkel sahen sie überhaupt nichts.
    Während der Pfarrer aus Cantimpré in die Lüfte gehoben wurde, fiel ihm ein, dass er nicht die geringste Vorstellung hatte, wie er je wieder aus dem Kloster entkommen sollte - selbst wenn es ihm gelänge, lebendig hineinzukommen, und selbst wenn er Perrot wiederfinden sollte.

IIX
    A n diesem Tag kamen die fünf Wunderkinder zum ersten Mal fast unbeaufsichtigt im Klostergarten zusammen.
    Sie alle lebten in Einzelzimmern auf einem von Soldaten besetzten Stockwerk, das man nicht ohne Genehmigung betreten durfte. Jedes Kind hatte einen Lehrer, der unermüdlich daran arbeitete, das Spektrum seiner verschiedenen Gaben zu erweitern und zu messen. Weder bei Tag noch bei Nacht genossen die fünf Geiseln die geringste Freiheit.
    Dann aber verkündete Abt Profuturus, dass sie sich besser kennen lernen und sogar wie Kinder ihres Alters vergnügen sollten. Man hatte ihnen Bälle und Schläger zur Verfügung gestellt.
    Doch den fünf Kindern war nicht nach Belustigung zumute. Sie saßen auf dem steinernen Rand eines Brunnens, der in der Mitte des bräunlichen Grasteppichs im Innern des Kreuzgangs stand. Alle trugen die gleichen ungebleichten Leinen, den gleichen mit Fellen gefütterten Mantel und die gleiche Almutie auf dem Kopf. Es war sehr kalt.
    Die Wachen hielten sich in einiger Entfernung, sodass die Kinder zum ersten Mal miteinander sprechen konnten.
    Agnès, das Mädchen mit den Stigmata auf der Stirn, das eine Weile nach ihrer Entführung aus Castelginaux Perrots Reisegefährtin
gewesen war, zeigte ihren Gefährten ihre Unterarme, die übersät waren mit blauen Flecken von den Einstichen eines feinen Taubenfederkiels, den man ihr unter die Haut geschoben hatte.
    »Sie nehmen mir Blut ab.«
    Damien, der Junge, über den Profuturus gesagt hatte, er könne Teufel und böse Geister vertreiben, stammte aus Pamiers in der Ariège. Er war elf Jahre alt. Für sein Alter war er sehr klein, er hatte pechschwarzes Haar, eine feine Nase und hauchdünne Lippen. Seine »Gabe« hatte sich zwei Jahre zuvor offenbart, als etwa zehn Besessene in Pamiers vor der Menge zur Schau gestellt worden waren. Der Blick der Unglücklichen musste nur den seinen kreuzen, und schon fuhr der Dämon, der sie beherrschte, aus ihnen hervor. Das Gleiche geschah einige Monate später, als der Bischof beschloss, Damien in ein Irrenhaus mitzunehmen. Auch dort verjagte das Kind mit seinem bloßen Blick zahlreiche böse Geister. Daraufhin beschloss das Bistum, ihn auf der Stelle einzusperren, weil bereits die ersten Gerüchte über ihn in Umlauf waren und das Volk ihn zu verehren begann. Damien wurde seinen Eltern entrissen und lebte fortan unter strenger Bewachung im Burgturm des bischöflichen Schlosses von Pamiers. Sechs Monate später hatte eine Truppe schwarz gekleideter Männer das Gebäude gestürmt und das Kind vor den Augen des Bischofs geraubt.
    Damien erklärte seinen Leidensgefährten: »Ich

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