Advocatus Diaboli
angetan hatte …
Sie erreichte das von Profuturus bezeichnete Zimmer und schob zitternd den Schlüssel ins Schloss.
Sie trat ein.
Perrot saß am Bett von Pater Aba.
Der Auferstandene lag da und schlief schwach atmend, ohne dass ihm das Drama, das sich um ihn herum abspielte, zu Bewusstsein kam.
Perrot selbst wirkte ebenfalls gelassen.
»Die Zeit drängt!«, rief Até. »Wir müssen dich in Sicherheit bringen!«
Sie wollte das Kind packen, doch es wehrte lauthals ab: »Ich kann Pater Aba nicht im Stich lassen.«
»Kann er gehen?«
Perrots unbehagliches Schweigen sprach Bände.
»Wir können ihn unmöglich mitnehmen«, schloss die Frau. »Komm.«
»Nein! Nein!«
»Du lässt mir keine andere Wahl.«
Sie packte Perrot mit Gewalt und schleppte ihn trotz seiner Gegenwehr aus dem Zimmer.
»Nein …!«
Draußen erfasste Até mit einem Blick das Ausmaß des Brandes. Sie sah, wie Isarns Truppe in dem Geheimgang unter dem Brunnen verschwand, begriff jedoch auch, dass sie keine Möglichkeit hatte, ihnen zu folgen, sofern sie nicht die unüberwindbare Feuerwand durchbrach.
Die Treppe, die in die Geheimkammer führte, war einer der letzten Bereiche der Festung, die noch von den Flammen verschont waren. Até rannte mit Perrot die Stufen hinunter bis ins Untergeschoß des Klosters.
Dort suchte sie die Zellen auf, in denen die Experimente an den fünf Wunderkindern durchgeführt worden waren. Diese Räume
waren hermetisch abgeschlossen. Até hoffte, dass weder die Flammen noch der erstickende Qualm in sie eindringen würden.
Sie verriegelte die Ausgänge.
Perrot war in Tränen aufgelöst.
»Wir bleiben hier, solange es nötig ist«, befahl ihm die junge Frau.
Pater Aba blieb mit dem Anflug eines Lächelns auf dem bleichen, schlafenden Gesicht auf seinem Lager in der geheimen Kammer zurück. Je weiter Perrot sich entfernte, umso mehr wich das Leben zum zweiten Mal aus ihm …
Seine Fingerspitzen wurden tiefschwarz, als hätte man sie in Pech getaucht. Allmählich breiteten sich die dunklen Flecken wie ein schwarzes Tuch von den Fingern auf die Hände, von den Händen auf die Arme und von den Armen auf den Rest des Körpers aus und ließen das Fleisch seiner Gliedmaßen schwinden. Als das Gesicht des Priesters vollständig von dieser Schwärze verschlungen war, blieb nichts weiter als eine Mumie, deren Haut bis auf die Knochen geschrumpft war.
Doch dieses Mal war ihm ein süßer Tod beschieden.
Dank der Tage des Weiterlebens, die er durch Profuturus’ Experiment gewonnen hatte, hatte Guillem Aba den Zyklus seines Lebens, wie Gott ihn vorherbestimmt hatte, vollständig durchlaufen. Seine Seele würde nicht mehr wie nach seinem vorhergehenden Tod umherirren müssen, weil sie vor ihrer Zeit geholt worden war. Seine Zeit war erfüllt. Seine Mission ebenfalls. Perrot war im Besitz all seiner Gaben.
Seine erschöpfte Seele entschwebte in einem schönen Strahl mit den Farben der Aura aus dem Körper und verschwand in der Nacht.
Um die fleischliche Masse drangen die Flammen in das Zimmer und verwüsteten alles.
Das Kloster Albertus Magnus war nur noch ein einziger gigantischer Glutherd in der Dunkelheit, der knatternd und knisternd auf seinem Vorsprung in den Himmel ragte.
Seine Flammen warfen ihren goldenen Widerschein auf die Oberfläche des Meeres und vereinten sich mit den bleichen Strahlen des Mondes.
In der Ferne entschwand Isarns Schiff mit den vier Wunderkindern.
EPILOG
I
I n diesem Juni versengte der Sommer alles. Seit dem Quatemberfasten brannte die Sonne auf Rom nieder.
Und dennoch stieg ein steter Strom von Würdenträgern unablässig die Treppenstufen des Lateranpalastes hinauf und hinab.
Einer von ihnen verließ an diesem Nachmittag die Residenz von Papst Nikolaus IV. und tauchte in die Straßen Roms ein. Es war Rainerio.
Erst vor Kurzem hatte er sein Gelübde abgelegt und war unmittelbar darauf zum Bischof geweiht worden. Hochmütig trug er seine nagelneue rote Bischofsrobe.
Einige Römer grüßten ihn im Vorübergehen. Andere wichen ihm aus; er war bereits gefürchtet und wenig beliebt. Sein bischöflicher Status ermutigte den jungen Mann dazu, ein ums andere Mal seine Schlechtigkeit unter Beweis zu stellen. Denn er war von Ehrgeiz zerfressen.
Rainerio residierte nun in einem weitläufigen Gebäude unweit des Laterans, wo er seine Tage verbrachte.
Als er zu Hause eintraf, stürzte ein Diener auf ihn zu und reichte ihm etwas zu trinken und ein frisches Tuch, mit dem er seine Stirn
Weitere Kostenlose Bücher