Advocatus Diaboli
dem er früher selbst Lesen und Schreiben beigebracht hatte, sprach also nun, vor seinem Herrn stehend, zu der illustren Versammlung, im Angesicht der Stellvertreter Gottes und aller bedeutenden Herrscher der Welt.
Er las: »Oftmals genügt ein Korn, um eine gewaltige Maschinerie aus dem Takt zu bringen. In diesem Fall hieß das Korn, das den Untergang Artemidore de Brocas und seiner Anhänger bewirkte, Maxime de Chênedollé.«
Benedetto erklärte durch Matteo, dass dieser Mann ein sehr reicher Kaufmann und Bankier gewesen sei, der seit vielen Jahren als Geldgeber für den Konvent von Meggido fungiert und riesige Summen aufgebracht habe, um ihn zu fördern.
»Die Ausgaben des Konvents durften nicht in den Rechnungen der Kirche auftauchen; Chênedollé war der trickreiche Organisator dieser Parallelfinanzen.
Allerdings war der Mann vorausschauend: Es war ihm nicht entgangen, dass die Regeln des Konvents sehr streng waren und dass selbst ein herausragendes Mitglied beim geringsten Fehltritt skrupellos geopfert wurde.
Nach dem Tod des Bischofs Romée de Haquin in Draguan beschloss er daher vor acht Jahren, sein Leben abzusichern. Er nahm Kontakt zu einem gewissen Bischof Moccha auf, einem Prälaten, der damals in der römischen Kurie wenig zu sagen hatte, wegen seiner ausschweifenden Lebensweise verachtet wurde und wegen seines offensichtlichen Mangels an Ehrgeiz niemanden interessierte. Freilich war Moccha hinter seinem anstößigen Gebaren ein zutiefst ehrlicher und unbestechlicher Mann, der Ungerechtigkeit hasste. Maxime de Chênedollé beschloss, alles, was er im Konvent sah und hörte, schriftlich festzuhalten und diese Aufzeichnungen anschließend heimlich an Moccha zu übergeben. Sollte er sich eines Tages in Gefahr fühlen, dann könnte er seinen Auftraggebern damit drohen, dass er alles verraten würde. Moccha hatte Anweisung, alles
zu veröffentlichen, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Ihre Zusammenarbeit trug trotz der damit verbundenen Gefahren Früchte, und Moccha verfasste eine furchtbare Anklage gegen Artemidore de Broca und seine Geheimgesellschaft.
Chênedollé hatte gut daran getan, so zu handeln, denn Artemidore beschloss im kleinen Kreis eine gewaltige Säuberung in den Reihen des Konvents von Meggido.
Der Konvent, ursprünglich von zehn Männern gegründet, war mittlerweile eine Krake geworden, durch die zügellose Vermehrung seiner Mitglieder auch anfällig. Das Schweigen gewisser allzu gut unterrichteter Persönlichkeiten kostete ein Vermögen, und der Wahnsinn manch anderer wie etwa Abt Domenico Profuturus brachte das ganze Gebäude in Gefahr. Anstatt den Sturz des Konvents von Meggido auf sich zukommen zu lassen, beschloss Artemidore de Broca, der seinen Feinden gewöhnlich einen Schritt voraus war, diesen zu beschleunigen!
Er beschloss, neun Zehntel seiner Gefolgsleute auszuschalten. In der Residenz Chênedollés außerhalb Roms erstellten Broca und Rasmussen schließlich mit Unterstützung des jungen Rainerio das unglaubliche, falsche Schaubild der Verflechtungen des Konvents von Meggido. Damit sollten die Verräter des Konvents in die Irre geführt werden, insbesondere diejenigen, die sich bereits auf die Seite des Kaisers geschlagen hatten. Rainerios Aufgabe war es, die offiziellen Dokumente im Lateran, aber auch in der Abtei von Pozzo, die nicht zu dem Schaubild passten, zu fälschen. Rasmussen und er spielten geschickt ihre Rollen in Rom und bereiteten ihr Verschwinden vor …
Maxime de Chênedollé erfuhr alsbald, dass er zu denen gehörte, die von der Säuberung betroffen waren. Seine letzte bedeutende Handlung bestand darin, dass er Rasmussen und Rainerio die notwendigen Mittel bewilligte, um die Ermordung des Ersteren vorzutäuschen und die Reise des Zweiten nach Mähren zu finanzieren!
Zu diesem Zeitpunkt beschloss Chênedollé, mit seiner Frau aus Rom zu fliehen und zu verschwinden. Doch er wusste, dass er überwacht wurde: Da sein Diener im Dienste des Konvents stand, wurden all seine Schritte und Unternehmungen getreulich an Fauvel de Bazan gemeldet. Es war an der Zeit, die Moccha anvertrauten Dokumente ins Spiel zu bringen. Daraufhin fasste er den Entschluss, mich, Benedetto Gui, aufzusuchen. Er wusste um meine Erfolge vor Gericht und rechnete damit, dass ich mit Hilfe der bei Moccha verborgenen Geheimunterlagen eine schlüssige und unwiderlegbare Angriffstrategie aufbauen könnte. Es gelang ihm, mir unmerklich winzige Hinweise zuzuspielen, die seiner Ansicht nach, und
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