Advocatus Diaboli
ihn: Er selbst wurde des Verbrechens für schuldig befunden, das er angeprangert hatte, und all seiner Rechte enthoben.
Man degradierte ihn zu einem einfachen Priester und wies ihm die bedeutungslose Pfarrei Sant’Elena zu, eine Ruine ohne Gläubige.
»Ich hätte eine Pfarrei auf dem Land vorgezogen«, hatte er Gui anvertraut, »aber sie haben beschlossen, mich im Auge zu behalten.«
Auf die Frage, wer sich hinter diesem »sie« verbergen mochte, hatte Cecchilleli sich damit begnügt, mit den Schultern zu zucken und eine Gegenfrage zu formulieren. »Wer kann einen Kardinal in weniger als drei Wochen vernichten? Selbst mein Freund Artemidore de Broca konnte nichts für meine Rettung tun, wie er mir versicherte!«
Seit drei Jahren nun vegetierte der ehemalige Kardinal hier vor sich hin. Benedetto stellte empört fest, dass er nur ein paar Reisigbündel hatte, um sich vor der Kälte zu schützen, und dass nicht einmal Stroh auf dem Boden lag.
»Was für eine Freude, dich wiederzusehen, Benedetto. Du bist der letzte unter meinen guten Freunden, der sich noch dafür interessiert, ob ich am Leben bin! Seit meiner Verstoßung zeigen mir alle die kalte Schulter, einschließlich meiner Familie, deren Vermögen ich begründet habe. Die Gläubigen von Ravenna beschimpfen meinen Namen …«
Seine müden und gereizten Augen sonderten Augenbutter ab, es war, als hätte er dicke Tränen in den Augenwinkeln, die sich weigerten, zu fließen.
»Verstehst du, für einen Mann wie mich, der sich sein Leben lang bemüht hat, für das Seelenheil der anderen zu sorgen, ist es ein grausames Los, nur noch Gesichtern zu begegnen, die sich von mir abwenden.«
Er schüttelte den Kopf.
»Ich lese die Moralia in Job wieder und übe mich in Geduld. Sind wir nicht alle Kinder eines Gottes, der das Leben verdammt, das er uns geschenkt hat? Es nützt nichts, sich über den Himmel zu beklagen. Und außerdem bin ich nicht so allein! Ich habe meine Sünder.«
Damit meinte Cecchilleli die Bettler, die in »seiner« Kirche Zuflucht gesucht hatten.
Er hob einen Arm.
»Aber wir sprechen zu viel über mich. Was kann ich für dich tun, Benedetto?«
Die zwei Männer setzten sich auf zwei Hocker. Benedetto wollte dem Priester seinen Mantel anbieten, doch dieser lehnte ab.
»Du wirst dich erkälten.«
»Ich bin daran gewöhnt.«
Benedetto erklärte den Grund seines Kommens und fasste zusammen, was Zapetta ihm über das Verschwinden ihres Bruders Rainerio mitgeteilt hatte.
»Wisst Ihr, was die Heilige Kongregation ist?«, fragte er am Ende.
Cecchilleli war zwar wieder zum schlichten Priester geworden, doch hatte er deswegen nicht sein Gedächtnis verloren; durch seine glanzvolle Stellung als Kardinal hatte er früher vieles gesehen und erfahren. Das Arkanum der Kurie barg für ihn keinerlei Geheimnisse. Es war nicht das erste Mal, dass Gui ihn bei einer Nachforschung zu Rate zog.
»Die Heilige Kongregation?«, wiederholte Cecchilleli mit nachdenklicher Miene. »Kannst du mir mehr darüber erzählen?«
»Anscheinend sitzt dort eine Person, die als Promotor iustitiae oder auch Advocatus Diaboli bezeichnet wird und für die der junge Rainerio arbeitete.«
Cecchilleli zog die Stirn in Falten.
»Dann meinst du die Heilige Kongregation für Riten und Heiligsprechung . Auch wenn sie mit fast jedem neuen Papst ihren Namen ändert. Es besteht kein Zweifel, dass es sich darum handelt.«
Er hielt kurz inne, bevor er alles ausführlich erklärte: »Der Papst alleine ist ermächtigt, zu bestimmen, wer in den Stand eines Heiligen erhoben werden kann. Früher genügte dafür die Stimme des Volkes. In unseren Tagen ist es Aufgabe der Heiligen Kongregation, unter den Kandidaten auszuwählen. Sobald sich die Möglichkeit einer Heiligsprechung andeutet, unterzeichnet der Papst eine Bulle zur Eröffnung des Prozesses, und die Kongregation setzt eine Untersuchungskommission ein. Diese durchkämmt das Leben des Kandidaten bis in die letzten Einzelheiten, überprüft, begutachtet und beurteilt seine Wunder und seine Werke. Die Beschlüsse werden sodann dem Papst übergeben, der darauf hin sein unfehlbares Urteil abgibt. Das ist das Ziel der Heiligen Kongregation: Sie produziert Heilige.«
Benedetto erinnerte sich daran, dass er in seiner Darstellung des Laterans, die aus der Zeit Martins IV. stammte, die Überschrift gelesen hatte: Kommission für die Heiligsprechung der Diener Gottes . Er sagte sich, dass es für einen jungen Mann wie Rainerio, der aus dem
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