Advocatus Diaboli
Nichts aufgetaucht war, ein unglaubliches Glück war, in den Umkreis einer so wichtigen Institution zu kommen.
»Und der Advocatus Diaboli, worum handelt es sich da?«
»Während des Verfahrens der Heiligsprechung stehen sich Verteidigung und Anklage gegenüber. Auf der einen Seite verteidigt der Relator causae die Verdienste des zukünftigen Heiligen; auf der Gegenseite hat der Advocatus Diaboli, der Kirchenanwalt, die Pflicht zu beweisen, dass der Verstorbene nicht zu den Auserwählten
zählt. Er führt die Untersuchung als Ankläger. Man nennt ihn deshalb auch Advocatus Diaboli.
»Ich kenne diese lokalen Kommissionen, die über die Heiligen Nachforschungen anstellen, ich habe sogar öffentlichen Verfahren beigewohnt«, sagte Benedetto.
Der Priester lächelte.
»Was in der Öffentlichkeit geschieht, dient nur zur Unterhaltung der Massen. In Wirklichkeit werden die ernsthaften Fragen lange vorher hinter verschlossenen Türen in der Heiligen Kongregation entschieden. Alle katholischen Diözesen träumen davon, ihren eigenen Heiligen zu besitzen; jedes Jahr werden Hunderte von Anträgen auf Heiligsprechung eingereicht. Manche Bischöfe und Gläubigen würden vor keiner Niedertracht zurückschrecken, um einen der Ihren kanonisieren zu lassen. Der Glanz, der von einem neuen Heiligen ausstrahlt, zieht Wallfahrer an und ermöglicht einer ganzen Region, sich selbst zu feiern.«
Er zuckte mit den Schultern.
»Es geht um viel Geld, und nicht alle Promotoren sind unbestechlich. Daher bemüht sich die Heilige Kongregation, geheim zu bleiben, um Pressionen und finanziellen Manövern keinen Angriffspunkt zu bieten. Niemand außer ihren Mitgliedern kennt ihre wahre Bestimmung. Nicht einmal ein Kardinal wie ich.«
Benedetto dachte, dass Rainerio, wenn er wirklich im Dienste eines Promotor iustitiae stand, wie er seiner Schwester gegenüber behauptet hatte, sich im Zentrum der Auseinandersetzungen befand, freilich auf der schändlichsten Seite.
»Wo hält die Kongregation ihre Sitzungen ab?«
»Die abschließenden Diskussionen finden im Lateranpalast statt, manchmal in Gegenwart des Papstes. Aber ich weiß, dass es untergeordnete Stellen im Kirchenstaat gibt, und sei es nur zur Registrierung der zahlreichen Anträge auf neue Heiligenbildnisse.«
Benedetto schob das wenige noch verbleibende Brennholz in
den Ofen. Er dachte, wie trübsinnig diese Sakristei war, die man aller heiligen Kultgegenstände, die bei der Messe verwendet wurden, beraubt hatte. Der Wandschrank für die Kerzen war leer, nur ein staubgraues Gefäß, das am Boden stand und eine ferne Ähnlichkeit mit einem Kelch hatte, war übrig geblieben. Auf einem Lesepult erblickte Benedetto das einzige Buch, das noch in Cecchillelis Besitz war: die von Papst Gregor dem Großen verfassten Moralia in Job .
Er fragte weiter: »Kennt Ihr noch jemand anderen, der darin einen Sitz haben und bei dem ich mich erkundigen könnte? Oder einen Promotor iustitiae?«
Cecchilleli dachte nach.
»Was die Kirchenanwälte angeht, so kenne ich nur einen, aber das ist der einflussreichste: Henrik Rasmussen, ein Flame, ehemals Erzbischof von Tournai. Ich weiß, dass er diese Funktion des Promotor iustitiae in der Kongregation sehr lange innehatte. Er hat sich viele Male wiederwählen lassen, denn es bereitete ihm unverkennbar Vergnügen, alle Hoffnungen auf Heiligsprechung zunichtezumachen!«
Er lächelte.
»Die Diener Gottes, deren Gegner Rasmussen war, haben ihr Kanonisierungsverfahren unweigerlich verloren. Es ist nicht ausgeschlossen, dass er immer noch im Dienst ist.«
»Und wo kann ich Henrik Rasmussen finden?«
»Er besitzt einen Palazzo in der Via Nomentana, einen der schönsten in der Stadt. Seine Schwester und er sind ungeheuer reich.«
Benedetto dankte ihm für seine Ausführungen.
»Ihr seid mir wie immer eine unvergleichliche Hilfe!«
»Lass dich bald wieder sehen«, warnte ihn Cecchilleli. »So alt, wie ich bin, wäre es unvorsichtig, die Besuche zu sehr auf die lange Bank zu schieben …«
Der alte Mann begleitete seinen Freund hinaus. Sie umarmten sich, dann kehrte der Alte zu seinen Bettlern zurück, und Benedetto verließ die Kirche Sant’Elena.
Nicht weit davon entfernt betrat er eine Holz- und Kohlenhandlung und gab eine große Bestellung von Brennmaterial auf, das an Cecchilleli geliefert werden sollte. Er verlangte außerdem, dass die Sakristei mit einer zwei Fingerbreit dicken Strohschicht ausgelegt wurde.
Anschließend mietete er erneut eine
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