Advocatus Diaboli
hatte.
Er ging mit akribischer Sorgfalt die Eintragungen mehrerer Monate durch, bis er auf einen Fall stieß, der seine Neugier weckte.
Concha Hermandad .
Sie gehörte nicht zu den wiedergefundenen Kindern, sondern zu den im Heim eingesperrten Irren und wurde die »wundersame Jungfrau aus Aragon« genannt.
Aba befragte den Chorherrn über sie und erfuhr, dass es sich um eine junge Nonne handelte, die in einem Konvoi aus dem Königreich Aragon gekommen war. In der Nähe von Roncevaux wurde der Zug von Räubern hingemetzelt. Sie entkam als Einzige dem schrecklichen Überfall und flüchtete sich auf die Straße.
Dann wurde die Unglückliche zur Zielscheibe aller ehrlosen Männer, die ihren Weg kreuzten. Mehr als ein dutzend Mal wurde sie entführt, gefangen gehalten, geschlagen und schließlich vergewaltigt. Nur dass jeder Mann, und das war es, was Pater Abas Neugierde erweckte, sobald er sie entblößte und sich anschickte, ihre Jungfräulichkeit zu rauben, noch im selben Augenblick tot daniedersank!
Bei jedem Vergewaltigungsversuch schützte eine höhere Macht die Unschuld von Concha Hermandad. Ihre Vergewaltiger traf der
Zorn des Himmels. Doch der Preis dafür war der Verstand des jungen Mädchens; diese kräftigen Körper, die zwischen ihren Beinen ihr Leben aushauchten, verstörten sie zutiefst … Sie wurde im Waisenhaus von Toulouse aufgenommen, wo sie sich hinter ihrem Schweigen verschanzte und nur behauptete, sie werde von Horden von Wiedergängern verfolgt, die ihre Jungfräulichkeit rauben wollten.
Angesichts der unglaublichen Tragweite dieses Wunders ordnete der Hospizvorsteher eine Untersuchung an: Und wirklich bestätigten drei Männer, die Augenzeugen einer Vergewaltigung geworden waren, Conchas außergewöhnliche Aussagen.
Kurze Zeit später begann sich die Geschichte der »wundersamen Jungfrau von Aragon« herumzusprechen.
Eines Tages kamen die Offiziere eines hohen Herrn und verlangten, dass Schwester Hermandad ihnen übergeben werde. Der Stiftsvorsteher, der Concha ins Herz geschlossen hatte und um ihre seelische Labilität wusste, widersetzte sich den Forderungen des Herrn.
Zwei Monate später forderte ein ausdrücklicher Befehl des Rektors der Basilika und des Erzbischofs von Ancona den Vorsteher auf, die Jungfrau einer Delegation von Geistlichen zu übergeben, die eigens deshalb bis nach Toulouse gereist war.
»Der Befehl war ausdrücklich«, erklärte der Chorherr Aba. »Gegengezeichnet vom Bischof von Toulouse. Concha musste sich zur Behandlung in ein Kloster in der Diözese Ancona begeben. Unser Prior konnte sich dem nicht widersetzen. Er überließ ihnen das Mädchen.«
»Wie sahen die Männer aus, die sie abholen kamen?«
»Ordensleute aus Italien. Es waren viele, und es fehlte ihnen nicht an Prunk.«
»Ein Kloster bei Ancona?«
Aba fragte, ob der Bruder sich an einen anderen Fall im Hospiz
erinnerte, bei dem wie bei Concha Wunder, besondere Gaben oder Mirakel eine Rolle gespielt hatten. Fälle von Kindern vielleicht?
Der Bruder verneinte.
»Nie ist uns etwas so Seltsames wie die Geschichte dieses jungen Mädchens begegnet!«
»Habt Ihr seit ihrem Fortgang von ihr gehört?«
»Nichts.«
Pater Aba dankte dem Mönch für seine Zeit und Mühe und verließ das Heim.
Nachdenklich kehrte er in seine Herberge zurück.
Es gibt keine erkennbare Verbindung zwischen dieser Concha Hermandad und Perrot und den anderen Kindern, sagte er sich, und doch … Weshalb ereigneten sich in dieser Region seit einiger Zeit so viele Wunder?
Er hatte Jeanne Quimpoixs Satz nicht vergessen: »Das ist eines unter den vielen Rätseln, die Ihr noch zu lösen habt.«
VII
N ach Einbruch der Nacht verließ Marteen, bekleidet mit einem Mantel und einer Kapuze, die ihn von Kopf bis Fuß verhüllten, Rasmussens Palazzo an der Via Nomentana.
Vor seiner Abreise am folgenden Tag wollte er noch einmal die Orte aufsuchen, an denen sich die römischen Nachtschwärmer und Wüstlinge mit Vorliebe tummelten.
Er begann seine Abschiedsrunde in der Violetten Puppe , einer Spelunke, in der der Wein umsonst war für alle, die für die Gunst zweier Dirnen bezahlten. Der Ort gehörte zu den verrufensten Plätzen der Stadt. Nie konnte man sich irgendwohin setzen oder stehen bleiben, ohne dass man von Trunkenbolden oder von Frauen mit entblößten Brustwarzen angerempelt wurde.
Im Keller befanden sich die Bottiche der Badestube und die eisigen Bäder, in denen beide Geschlechter sich abschrubben ließen, bevor sie
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