Advocatus Diaboli
beinahe von einem Zaunpfahl aufgespießt worden. Mit schmerzendem Knöchel raffte er sich auf, um zu fliehen, und entschied sich für
eine dunkle Gasse voller Unrat, die von der Rückseite der Herberge abging.
Er hörte, wie im Zimmer Alarm geschlagen wurde; sein Zimmergefährte hatte geredet.
Während er an der Hausecke versuchte, sich unter die Menge zu mischen, entdeckten ihn zwei kräftige Kerle und riefen, sowie sie ihn entdeckt hatten, ihre Spießgesellen herbei.
Binnen weniger Sekunden wurde Pater Aba, ohne sich losreißen zu können, von einer Bande dreckiger, stinkender Räuber mit gewissenlosen Mienen gefesselt.
Sie schleppten ihn auf einen kleinen Platz, der sich sofort nach ihrer Ankunft leerte.
»Ist er es denn nun?«, knurrte einer von ihnen.
Ein junger Mann näherte sich. Sie machten ihm Platz, damit er zu Aba treten konnte. Der Priester erkannte ihn sogleich: Es war einer der drei Arbeiter, die Souletin gerufen hatte, um sein Schwert in Augenschein zu nehmen, der, welcher von einem Wunder gesprochen hatte.
Der Mann bejahte mit einer schnellen Kopfbewegung.
»Er ist es«, bestätigte er. »Kein Irrtum möglich.«
IX
P errot befand sich alleine in einem Zelt mitten im Wald in Begleitung Atés und ihrer schwarzen Truppe. Es war Nacht. Die wenigen Geräusche, die zu ihm drangen, stammten von den Pferden, die im Stehen schliefen, und vom Knistern des Feuers.
Plötzlich hörte er: »Hierher …«
»Es besteht keinerlei Gefahr …«
»Folgt uns …«
Männer sprachen leise.
»Macht keinen Lärm …«
»Es ist für alles gesorgt …«
»Wir sind da …«
Perrot richtete sich auf: Die Stimmen waren näher gekommen! Seine Beine waren in Ketten gelegt, und er konnte nicht fliehen. Eine Bahn der Zeltwand öffnete sich. Ein Lichtstrahl fiel herein, und eine dicke, behandschuhte Hand streckte sich ihm entgegen.
»Komm her!«
Verängstigt gehorchte der Junge.
Er steckte den Kopf hinaus und stand zweien der schwarz gekleideten Männer aus Atés Truppe gegenüber, in deren Begleitung sich ein dritter Mann in einem weiten Samtmantel und zwei
Frauen befanden, die sich unter hermelinverbrämten Umhängen verbargen.
»Er ist es!«, rief eine Frau.
Die Wachen forderten sie auf, leise zu sprechen.
Die drei hochrangigen Persönlichkeiten starrten fasziniert auf Perrot.
»Seid Ihr sicher, dass er mir zum Gebären von Kindern verhilft?«, fragte eine der Frauen.
»Und er kann wirklich Abszesse heilen?«, wunderte sich der Mann.
»Wird er meinem Mann den Tod bringen?«, fragte die zweite Frau.
»Bezahlt uns, dann werdet Ihr es sehen«, antwortete ein Wachposten.
»Dieser Junge kann alles«, versicherte der andere.
Der Mann mit dem weiten Samtmantel gab nach und holte eine Börse voller Zechinen hervor, die er ihnen reichte.
»Morgen führt Ihr ihn in mein Schloss«, sagte er, »und wenn Ihr die Wahrheit sagt, dann werdet Ihr reicher, als Ihr Euch je erträumt hättet!«
Die Wachen grinsten vor Freude.
Eine der Frauen näherte sich Perrot und hob die Hand, um seine Wange zu streicheln, doch das Kind wich instinktiv zurück wie ein Hund, der zu oft geschlagen wurde.
»Hab keine Angst, Kleiner …«
Sie fuhr mit den Fingern durch seine blonden Haare.
Danach geschah alles blitzschnell.
Die Frau lächelte Perrot zu, doch ihre Lippen erstarrten, und ein roter Blutstrahl quoll daraus hervor. Eine Schwertspitze erschien zwischen ihren Brüsten und durchbohrte sie von vorne bis hinten!
Binnen weniger Sekunden waren die zwei Wachen und ihre drei Besucher von dem Schwert durchbohrt.
Até de Brayac hatte den Handel entdeckt.
»Alle Mann in den Sattel!«, brüllte sie außer sich vor Zorn.
Sie ließ die ganze Truppe um sich Aufstellung nehmen.
»Niemand kommt mehr in die Nähe dieses Jungen. Ich werde jeden von euch, der nicht gehorcht, eigenhändig töten.«
Sie nahm den Jungen mit sich, als wäre er das Wichtigste in ihrem Leben.
X
B enedetto Gui fuhr jäh aus dem Schlaf hoch. Draußen war bereits heller Tag. Durch zwei schmale Steinkreuzfenster, von denen eines mit einem Fensterladen verschlossen und das andere durch eine Büchersäule verstellt war, fiel Licht in das Zimmer.
Sein Kopf war schwer gewesen, weil er sich die Nacht nicht nur mit der Verfolgung Marteens durch die Tavernen um die Ohren geschlagen hatte, sondern anschließend zu Hause auch noch die Unterlagen studierte, die er über das von dem Flamen erwähnte Dorf Cantimpré besaß. So hatte er weit länger als gewöhnlich
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