Advocatus Diaboli
geschlafen. Doch es waren weder die dem Alkohol geschuldeten Kopfschmerzen noch die späte Stunde, die ihn von seinem Bett hatten hochschrecken lassen, sondern vielmehr die ungewohnten Geräusche auf der Straße.
Benedetto Gui hatte ein geschultes Ohr und hörte sofort, dass dies nicht die üblichen Geräusche der Passanten oder Händler waren: Dies waren Soldaten, die mit ihren Eisen klirrten.
Und die Truppe kam nicht weit von seiner Tür zum Stehen. Er stürzte aus dem Bett und schlich zu dem Fenster, das hinter dem Bücherturm verborgen war. Er schob ein paar Codices beiseite, um die Straße zu beobachten. Etwa fünfzehn Soldaten hatten
sich vor seiner Tür postiert. Unter ihnen befand sich auch Marco del Miro.
»Ich werde alt«, dachte Benedetto. »Und ich dachte noch, sie würden drei Tage brauchen, bis sie mich verhaften … Ein einziger hat ihnen genügt!«
Hastig zog er seine Kleider an, ergriff die Geldbörse, in der er seine Ersparnisse und die zwei noch verbliebenen Golddukaten von Maxime de Chênedollé aufbewahrte. Den rötlichen Stein und das Säckchen mit weißem Pulver, das er beiseite gelegt hatte, ließ er in der Innenseite seines Gürtels verschwinden.
Ein erster gewaltsamer Schlag traf die Tür unten.
Ohne darauf zu achten, zog er seinen schwarzen Mantel an.
Der Chef der Wache befahl ihm, die Tür zu öffnen, und drohte damit, sie bei der nächsten Aufforderung aufzubrechen.
Benedetto eilte vor ein Bücherregal. Er zog die Mauer mit dem Regal zu sich heran, sodass sie sich in den Angeln drehte und eine Öffnung sich auftat; dann glitt er in den geheimen Ausgang, der sich dahinter verbarg, und zog die Mauer wieder hinter sich zu. Er ging einen schmalen, lichtlosen Gang entlang, bis er eine Falltreppe erreichte, die auf die Dächer führte. Er kletterte auf einen zu diesem Zweck dort abgestellten Schemel und gelangte einigermaßen mühsam ins Freie, indem er sich an dreckigen alten Ziegeln festklammerte. Dann ging er ein paar Schritte auf ein Flachdach zu, auf welchem eine Holzleiter stand, die ihn auf eine quer zu seinem Laden verlaufende Straße führen sollte.
Benedetto blieb abrupt stehen: Die Leiter war verschwunden!
In diesem Augenblick ertönte hinter ihm eine Stimme, und er spürte, wie sich eine Schwertspitze zwischen seine Schulterblätter bohrte.
»Benedetto Gui, von einem Mann mit deinen Fähigkeiten hätte ich mehr erwartet!«
Benedetto drehte langsam den Kopf und brauchte eine gewisse
Zeit, bis er den Mann erkannte, der ihn ansprach, so unmöglich schien es ihm, ihn hier auf diesem Dach vorzufinden: Fauvel de Bazan, die Kreatur Artemidore de Brocas, eingerahmt von vier Soldaten.
Benedetto erbleichte. Fauvel de Bazan verkörperte die Korruption, die Straflosigkeit und die Ruchlosigkeit der gesamten Kurie. Das Volk von Rom hatte sich noch einen Rest von Nachsicht für seinen alten Herrn Artemidore bewahrt, auf Fauvel de Bazan aber konzentrierte es all seinen Ingrimm.
»Wir kannten diesen Fluchtweg lange, bevor du dich in Rom niedergelassen hast!«, erklärte ihm Fauvel. »Er diente schon den ehemaligen Besitzern des Ladens bei ihrem fragwürdigen Handel.«
Er ließ Benedetto mit Gewalt ins Haus zurückbringen. Dort hatte Marco del Miro die Tür aufbrechen lassen und seinen Männern befohlen, einzudringen.
Alle trafen im Wohnraum unten wieder zusammen.
Als Benedetto den Blick Marco del Miros auffing, machte dieser ihm ein diskretes Zeichen, als wollte er sagen: Habe ich dir nicht gesagt, du sollst dich von dieser Geschichte fernhalten?
Benedetto war über das für seine Verhaftung mobilisierte Aufgebot beunruhigt. Bazan musterte die Regalreihen mit den Büchern und Dokumenten, fuhr mit seinen weiß behandschuhten Händen über eine Büste des Empedokles und schloss den Bleideckel des Tintenhorns auf dem Schreibpult, alles mit zur Schau getragener Lässigkeit.
»Auf diesen Tag warte ich seit langem«, murmelte er. »Ich habe nie die Leichtfertigkeit gebilligt, mit der die Polizei und die Richter dieser Stadt dich ungestraft den guten Samariter spielen ließen und duldeten, dass du die Mächtigen angreifst und die Gerichtssäle mit deinen Logikersermonen belästigst!«
Benedetto war nicht unbekannt, dass sein Eintreten für die Entrechteten bei den Behörden höchst unbeliebt war.
»Jemand muss sich doch darum kümmern«, wagte er einzuwenden. »Rom ist nicht von Ungerechtigkeiten verschont, und viele Arme haben niemanden, an den sie sich wenden könnten.«
Fauvel de
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