Advocatus Diaboli
sein Atem ging laut und schwer, Schweißtropfen perlten an den Wurzeln seiner spärlichen Haare, und seine Fingerspitzen waren schwarz und kalt.
»Er stirbt an Auszehrung«, dachte er laut.
»Er kann Euch hören«, sagte die Krankenwärterin zu ihm. »Aber ich weiß nicht, ob er die Kraft hat, Euch zu antworten. Noch nie ging es ihm so schlecht.«
Benedetto hob die Decke hoch und musterte die Fußvenen: Die Haut war übersät mit Einschnitten, die man für die Aderlässe vorgenommen hatte. Die Ärzte waren mit Lanzetten über den Körper des armen Mannes hergefallen.
»Er ist auf absolute Diät gesetzt«, sagte die Frau.
Benedetto schüttelte den Kopf.
»Das beste Mittel, damit das Leben aus ihm weicht. Was für eine Verschwendung!«
»Seid Ihr Arzt?«
»Ich praktiziere nicht. Aber ich kenne die Grundprinzipien.«
Da erhob sich die Nonne und vertraute ihm an: »Die Krankheit hat ihn sehr plötzlich ereilt.«
»So ist das bei alten Menschen. Wir können nicht viel …«
»Ja, aber … er hat binnen weniger Tage alle seine Zähne verloren!«
Benedetto hob eine Augenbraue. Mit einem Mal begriff er, was diese Frau ihm zu sagen versuchte, und an einem kurzen Blickwechsel erkannte sie, dass er verstanden hatte.
Sogleich fühlte er Hausers Puls, seinen Schweiß, überprüfte seine
schwarze Zunge und den Hintergrund der Augen, wobei er vom Ganzen zum Teil und vom Allgemeinen zum Einzelnen schritt.
Nach beendeter Untersuchung sah Benedetto die Nonne mit einem besorgten Blick an, der besagte: »Gift!«
Er bat sie, unverzüglich die Bestandteile eines Gegenmittels zusammenzutragen.
»Beeilt Euch!«, sagte er zu ihr. »Wenn wir nichts unternehmen, ist er in zwei Tagen tot.«
Die Krankenwärterin fand die Kräuter für das Gegenmittel im Heilkräutergarten der Abtei. Benedetto mischte die Bestandteile und gab sie dem Kranken mit ein wenig Essig verlängert, um seine Speicheldrüsen zu beleben, zu trinken.
»Gedulden wir uns.«
Drei Stunden später begann Benedettos Mittel zu wirken.
»Er muss zum Trinken gebracht werden. Reichlich.«
So geschah es, bis sich in Hauser plötzlich wieder ein wenig Leben regte.
»Ich komme morgen wieder«, sagte Benedetto.
Inzwischen war Hauser in der Lage zu sprechen.
Die Nonne sah ergriffen, dass er wieder einem Lebenden glich, und blieb an seiner Seite.
»Schwester Constanza hat die große Güte, mir für den Frieden meiner letzten Stunden aus der Heiligen Schrift vorzulesen«, sagte Hauser mit erloschener Stimme zu Benedetto.
Die Frau war etwa im gleichen Alter wie er, sie trug den Habit der Klarissinnen. An dem liebevollen Blick, den sie auf dem Kranken ruhen ließ, erkannte Gui, dass diese beiden Geschöpfe eine lange Liebesgeschichte verband.
»Wer seid Ihr?«, fragte Hauser. »Meine Augen lassen mich im Stich, ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir uns kennen.«
»Das ist richtig, mein Pater, wir sind uns nie begegnet.«
»Ihr überbringt mir eine Nachricht, hat man mir gesagt?«
»Das ist nicht ganz die Wahrheit …«
Die Nonne, die den Platz auf ihrem Stuhl am Bett wieder eingenommen hatte, setzte jetzt wieder jene argwöhnische Miene auf, mit der sie Benedetto bei seiner Ankunft bedacht hatte.
»In Wahrheit«, fuhr Benedetto vorsichtig fort, »stelle ich Nachforschungen über das Verschwinden eines gewissen Rainerio an. Man sagte mir, Ihr kanntet ihn?«
Die Nonne wollte Einspruch erheben, doch der Sterbende fand die Kraft, eine Hand zu erheben, und forderte ihn zum Hinsetzen auf.
»Mir geht es gut, Constanza, mir geht es gut … Wenn ich richtig verstanden habe, sind wir diesem jungen Mann etwas schuldig.«
Er beobachtete Benedetto mit seinen blassen, beinahe weißen Augen. Er war zahnlos, seine Lippen waren ausgedörrt.
»Wer schickt Euch?«
»Rainerios Schwester. Zapetta. Die krank vor Kummer darüber ist, dass sie ihren Bruder nicht mehr in Rom sieht und keine Nachricht von ihm erhält.«
Hauser nickte.
»Rainerio … Er hat oft über sie gesprochen. Er vergöttert seine Familie. Er ist wirklich ein wunderbarer Junge. O weh, Gott allein weiß, was sie mit ihm gemacht haben.«
»Welche sie ?«
Wieder wollte die Nonne eingreifen. Hauser begnügte sich damit, sie um einen Becher Wasser zu bitten, mit dem er seine Lippen benetzte.
Dann fuhr er langsam und erschöpft von der Anstrengung, die ihn das Sprechen kostete, fort:
»Kennt Ihr seinen Herrn, den Kardinal Rasmussen?«
Benedetto bejahte.
»Wisst Ihr, mit welchem Mittel es ihm
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