Advocatus Diaboli
führen. Verlier ihn nicht aus den Augen und berichte mir alles, was er tut und was er sagt! In den Sattel mit dir!«
XVIII
B ald nach seinem Aufbruch aus Spalatro ritzte sich Benedetto Gui den Unterarm auf und ersetzte die Mischung aus Quecksilber und Zinnober, die die Dorfbewohner unter den Lidern der heiligen Monika in der Glasphiole aufgefangen hatten, durch ein paar Tropfen aus seinen Adern.
Dieser Frevel ist nur ein weiterer Betrug auf meiner langen Liste, dachte er, während er sich wieder in Bewegung setzte.
Nach Aurelias Tod, in dem Jahr seines Vagabundierens im Latium, hatte er viermal ohne Mühe nachgewiesen, dass Bischöfe vorgetäuschte Wunder in Auftrag gegeben hatten. Betrügerische Scheinheilungen, angebliche Zeichen des Himmels, ohne wirkliche Grundlage.
Wie viele Täuschungen hatte die Kirche in dreizehn Jahrhunderten begangen?
Fünfzehn Meilen trennten ihn noch von der Abtei von Pozzo, wo er die Dokumente vorlegen sollte, die das Wunder der Statue belegten.
Drei Tage später erreichte er auf seiner Mauleselin trottend die Benediktinerabtei von Pozzo. Sie nahm eine Fläche von mehr als hundert Metern Seitenlänge ein und verfügte über eine Abteikirche
mit drei Altären, eine Schule, einen kreisförmigen Kreuzgang, einen Heilkräutergarten, einen Schweinestall und mehrere Tonbrennöfen, vor allem aber über ein Skriptorium und eine Bibliothek, mit denen sie ihren cluniazensischen Rivalen den Rang ablief. Ihre Mauern waren hell und warfen das Licht dieses wolkenlosen Tages zurück.
Benedetto begab sich zur Registratur in der Nähe des Parlatoriums. Sie war in einem weitläufigen, lärmenden und überfüllten Saal untergebracht; fünf Aufnahmetresen dienten der Anmeldung der Wunder. Verblüfft bemerkte er, welche Menschenmengen sich dort drängten. Etwa ein Dutzend »Verteidiger von Wundern« erkundigten sich nach dem Stand der von ihnen betriebenen Verfahren. Sie unterhielten sich in vertraulichem Tonfall und in verschiedenen Sprachen. Manche von ihnen waren Mönche, andere weltliche Personen wie Benedetto.
Schließlich trat er vor einen Klosterbruder und einen Laienbruder, die hinter einem breiten, mit Verzeichnissen und Rollen bedeckten Schreibpult saßen.
Der Geistliche blieb unverändert sitzen, ohne den Neuankömmling eines Blickes zu würdigen, und sortierte seine Dokumente. »Was ist der Gegenstand Eurer Anfrage, mein Sohn?«, fragte er Benedetto.
»Ein heiliges Wunder, das sich in der Gemeinde von Spalatro zugetragen hat. Tränen der heiligen Monika, die sie auf einem Friedhof vergossen hat.«
»Über dem Grab eines Profanen, eines Laienbruders, eines Klerikers oder eines Seliggesprochenen?«
»Eines Priesters.«
Benedetto holte sein kleines rotes Fläschchen hervor. Der Klosterbruder nahm es an sich und ließ einen Mitbruder rufen. Ein alter Mann mit einem dünnen Eisenstab eilte herbei. Er öffnete die Phiole, entnahm einen Tropfen und führte ihn an den Mund.
»Echtes Blut. Menschlich«, verkündete er.
Nun begann der Laienbruder schriftliche Notizen zu machen.
»Habt Ihr die erforderlichen Dokumente?«, fragte er Benedetto.
Dieser legte sämtliche aus Spalatro mitgebrachten Schreiben vor.
Nachdem der Geistliche festgestellt hatte, dass nichts fehlte, fügte er hinzu: »Über Euren Antrag wird in den nächsten Tagen entschieden werden. Bleibt bis zum Urteil in Pozzo.«
»Kann ich im Dormitorium des Klosters Aufnahme finden?«
Die zwei Männer lächelten.
»Wir haben nicht ausreichend Platz, um alle Antragsteller in unseren Mauern aufzunehmen. Im Dorf findet Ihr Herbergen.«
Benedetto beobachtete den Laienbruder, der seine Dokumente und das Fläschchen ergriff und neben einem Aktenberg in einer Truhe ablegen wollte.
Er fragte: »Falls der Fall von Spalatro die erste Prüfung besteht, wie viel Zeit erfordert dann der nächste Schritt?«
Der Klosterbruder zuckte mit den Schultern.
»Fünf, sechs Jahre bestenfalls. Wir bearbeiten jedes Jahr mehr als tausend Fälle. Alle wundersamen Erscheinungen landen auf unseren Pulten, mein Sohn, in der Hoffnung, Rom möge auf sie aufmerksam werden und eine Bulle zur Eröffnung eines Verfahrens verkünden.«
»Sechs Jahre …?«, wiederholte Benedetto.
Er sah sich um. Hinter ihm warteten bereits weitere Menschen.
»Ihr werdet lesen, dass der Priester, der die Tränen der Heiligen bewirkt hat, Evermacher heißt und der ehemalige Pfarrer der Gemeinde Cantimpré ist. Kennt Ihr Cantimpré?«
Bei diesem Namen hoben beide
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