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Advocatus Diaboli

Titel: Advocatus Diaboli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Romain Sardou Hanna van Laak
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welche Anziehungskraft der Diener Gottes posthum haben wird, der die Heiligsprechung beantragt. Nichts demütigt die Kirche mehr, als wenn sie einen neuen Heiligen anerkennt und niemand dann an sein Grab eilt!«
    »Heutzutage ist sie bestrebt, weniger Heilige hervorzubringen, vielmehr will sie die Pilger konzentrieren und mehr Spenden sammeln.«
    »Sofern es sich nicht um ein spektakuläres Wunder handelt oder der Diener Gottes zu seinen Lebzeiten ein sehr berühmter Mann war, dauert das Verfahren inzwischen viele Jahre, damit will die Kirche vor einem Missbrauch von Gesuchen abschrecken.«
    »Ah! Dunkle Wolken sind am Horizont unseres Berufes aufgezogen«, klagte der Alte. »Früher war es leichter, einen Heiligen zu machen! Die bloße Stimme des Volkes genügte. Niemand brauchte eine Untersuchung und schlüssige Beweise!«

    Man lachte über phantastische Gesuche, die nichtsdestotrotz zu einer Kanonisation geführt hatten.
    Es wurde reichlich getrunken; der Hammel wurde serviert.
    Benedetto hielt nun den geeigneten Moment für gekommen, um das Gespräch auf sein Thema zu lenken. Er plauderte weiter, bevor er fragte: »Kennt Ihr Kardinal Rasmussen?«
    Die Frage brachte seine vier Tischgenossen zum Verstummen.
    »Als Promotor iustitiae oder Advocatus Diaboli«, fuhr er scheinbar überrascht fort, »obliegt ihm die Aufgabe, die Berechtigung der hier vorgetragenen Anträge zu widerlegen. Ihr müsstet ihn kennen …«
    Schließlich antwortete der Alte: »In der Tat, er sprach ihnen die Berechtigung ab … und er erlegte sich dabei keine Einschränkungen auf!«, wetterte er. »Dieser Mann war, Gott verzeihe mir, denn wir haben soeben erst von seinem Hinscheiden erfahren, dreißig Jahre lang der Albtraum der Bittsteller und Postulatoren um Heiligsprechung. Er hatte den Beinamen ›Demosthenes des Kanons‹. Es ist ganz einfach, wenn Rasmussen sich mit einem Fall befasste, dann konnte man sicher sein, dass man vor der Heiligen Kongregation scheiterte, ganz egal wie gewichtig die von der Verteidigung vorgebrachten Argumente waren. Meiner Meinung nach hätte dieser Mann sogar den heiligen Benedikt aus dem Kanon gestrichen und König Ludwig von Frankreich aus seiner Ecke im Paradies vertrieben, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gegeben hätte!«
    Benedetto streute weiter Anspielungen und Andeutungen aus, bis der Wein bei seinen Trinkkumpanen jeden Gedanken an Misstrauen vertrieben hatte.
    »Und sein Assistent Rainerio? Kennt Ihr ihn auch?«, fragte er.
    »Ja! Er kam gelegentlich in die Abtei«, rief der jüngste seiner Tischgefährten.
    Gui erbebte und ballte die Fäuste.
    »Er kam nach Pozzo?«

    Der Junge bekräftigte seine Worte.
    »Vermutlich im Auftrag seines Herrn. Um die Wahrheit zu sagen, wir freuten uns nicht, wenn wir ihn durch die Gegend streichen sahen.«
    Benedetto spürte, dass der Fisch angebissen hatte, und wagte sich weiter vor.
    »Kannte einer von Euch ihn gut?«
    Diese Frage entlockte allen ein Lächeln.
    »Wer hätte es gewagt, mit Rasmussens Mann zu verkehren? Schließlich tauchte er nicht hier auf, weil er uns zu unterstützen gedachte, sondern um Argumente zu sammeln und uns früher oder später abzuschmettern!«
    Der alte Apulier fügte hinzu: »Er hatte allerdings einen Freund in der Abtei. Den Bruder Hauser, der lange Zeit das Skriptorium leitete.«
    »Lange Zeit? Ist er nicht mehr hier?«, fragte Gui beunruhigt nach.
    »Der Mann ist alt und bei schlechter Gesundheit, so hört man.«
    »Er wohnt in der Abtei von Pozzo?«
    »So scheint es …«
     
    Mehr brauchte es nicht, damit Benedetto sich in Bewegung setzte. Am nächsten Morgen, noch bevor die Glocken die Laudes läuteten, wurde er in der Abtei vorstellig und bat unter dem Vorwand, er bringe ihm Nachrichten von einem fernen Freund, Bruder Hauser sehen zu dürfen. Er musste warten, bis der leidende alte Bruder erwachte und ihm Zutritt zu seiner Zelle gewährt wurde.
    Die Zelle war winzig und karg. Hauser ruhte bleich und mit abgemagertem Gesicht auf einem Strohlager, sein Körper war mit dicken Decken bedeckt. Die Mauern waren grau und von Feuchtigkeit und Kerzenrauch geschwärzt.

    Eine alte Nonne saß mit einem aufgeschlagenen Psalmenbuch auf den Knien auf einem Stuhl neben ihm. Misstrauisch beäugte die Krankenwärterin den eintretenden Benedetto.
    Er trat an den Sterbenden heran. Ein abscheulicher Gestank lag in der Luft; er hatte auf der Stelle das Gefühl, dass dies ein verlorener Mann war. Hausers Schädel war kahl, knochig und fleischlos,

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