Advocatus Diaboli
Männer den Kopf.
»Cantimpré?«, versetzte der Geistliche. »Das ist in der Tat ein Dorf, das unsere Aufmerksamkeit erheischt …«
Er gab dem Laienbruder ein Zeichen, er solle die Unterlagen wieder zur Hand nehmen.
»Ihr tatet gut daran, diesen Ort zu erwähnen. Das könnte die Dinge beschleunigen.«
Er versenkte sich wieder in seine Dokumente und sagte: »Aber macht Euch keine übertriebenen Hoffnungen, es ist ein langes Verfahren.«
Gui verließ das Klostergelände mit dem Gedanken, dass er verdammt sein wollte, wenn sich angesichts der Vielzahl von Anträgen auf Heiligsprechung, die hier eingereicht wurden, nicht jemand fand, der Kardinal Rasmussen oder seinen Sekretär Rainerio, diese unumgänglichen Persönlichkeiten der Heiligen Kongregation, kannte.
Das Dorf Pozzo war eine Viertelmeile vom Kloster entfernt.
Der Klosterbruder hatte nicht gelogen; das Gastgewerbe in dem bescheidenen Marktflecken erlebte wirklich einen bemerkenswerten Aufschwung. Der Zustrom der Bittsteller, die um Heiligsprechung ersuchten, bescherte ihm reichlich Manna. Sechs Herbergen und zwei Hospize konnten mehr als zweihundert Gäste aufnehmen.
Benedetto trat in die Herberge Das Buch Hosea .
Im Schankraum herrschte ein so lebhaftes Treiben, als befände er sich in Paris; an den Tischen drängten sich die Trinker, der Wein floss in Strömen, die Luft war geschwängert mit Aschegeruch und Essensduft. Alle Wirtshausbesucher waren nach Pozzo gereist, um dort ein Verfahren zur Heiligsprechung einzuleiten.
Benedetto regelte seinen Schlafplatz für die Nacht und lauschte dann der Unterhaltung. Beim Zuhören wurde ihm klar, dass die Kunden der Herberge das »Aufspüren von Heiligen« zu ihrem Beruf gemacht hatten: Das ganze Jahr über durchkämmten sie die Diözesen auf der Suche nach dem kleinsten Hinweis auf etwas Wundersames, und sobald eine Pfarrgemeinde Geld springen ließ,
brachten sie die Bittschrift der örtlichen Behörden der Kirche zu Gehör. Im Falle eines Erfolgs war ihnen eine gewisse Summe versprochen. Manche unternahmen bereits ihren zehnten oder zwanzigsten Versuch.
Viele der Unterhändler waren alte Bekannte.
Benedetto Gui setzte sich an einen Tisch mit vier Männern, die ihn herzlich aufnahmen, wie es bei den »Neuen« Brauch war. Drei von ihnen waren etwa in seinem Alter, zwei Italiener und ein Lusitaner, und der Vierte war ein älterer Mann, der aus Apulien stammte.
»Die Anerkennung welchen Wunders willst du verfechten?«
»Eine Statue der heiligen Monika, die Bluttränen geweint hat.«
Die vier pfiffen vor Begeisterung.
»Gut, sehr gut!«
»Ein guter Anfang!«
»Tränen sind seltener, als es heißt.«
»Du hast Glück!«
Man stach ein Fass Posca zu Ehren der heiligen Monika an und vergaß dabei nicht, dieses Getränk auf die Rechnung des »Neuen« zu setzen. Solange es hell war, dauerte das lärmende Treiben im Gastraum an. Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen, und man steckte einen Hammel zum Braten auf einen Spieß.
Guis Tischgefährten schilderten ihm ihre jeweiligen Fälle wie Soldaten, die stolz auf eine Schlacht oder die Eroberung einer Frau waren.
Einer sagte: »Ich habe die Haushälterin eines Pfarrers, die zu Zeiten Gregors IX. gestorben ist und jedes Jahr am Tag des heiligen Dionysius erscheint, um die Sünder im Dorf anzuprangern.«
Ein Zweiter: »Ich habe das Grab einer Äbtissin in Bourges, das einen außergewöhnlichen Wohlgeruch verströmt, und wenn man sein Ohr daranpresst, so vernimmt man Herzschläge!«
Der Dritte: »Ich vertrete eine Gemeinde in der Lombardei, wo
zu Zeiten Karls des Großen ein Seliggesprochener beerdigt wurde. Seine sterblichen Überreste sollten in diesem Jahr in eine wohlhabendere Pfarrgemeinde überführt werden, doch als man seinen Sarg hochheben wollte, wurde dieser so schwer, dass zwanzig kräftige Männer ihn keinen Daumenbreit zu bewegen vermochten. Der Seliggesprochene weigerte sich, seine Erde zu verlassen!«
Der Letzte: »Ich verfechte den Fall eines Bischofsmantels aus dem siebten Jahrhundert, der von Geschwüren befallene Kranke heilt, sowie den Staub vom Grab einer Jungfrau, der, in Wein aufgelöst, Blinde sehend macht.«
Glaubten sie wirklich an ihre Mirakel?
Benedetto hätte es nicht beschwören mögen.
Er fragte: »Worauf gründet sich das Urteil der Brüder in der Abtei von Pozzo?«
Alle antworteten zugleich.
»Es ist in allererster Linie ein politisches Urteil. Das Wichtigste für die Richter von Pozzo ist die Einschätzung,
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