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Aelita

Aelita

Titel: Aelita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexej Tolstoi
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gehend zu einem Streifen zusammengelegt. Diese ineinander übergehenden Seiten waren mit farbigen Dreiecken von der Größe eines Fingernagels bedeckt. Sie verliefen von links nach rechts und auch in umgekehrter Richtung in unregelmäßigen Linien, die bald abfielen, bald sich kreuzten. Sie veränderten sich in Farbe und Zeichnung. Nach dem Umblättern einiger Seiten tauchten farbige Kreise auf, die Form und Färbung änderten. Die Dreiecke begannen Figuren zu bilden. Die Übergänge und Verflechtungen von Farbe und Form dieser Dreiecke, die Kreise, Quadrate und komplizierten Figuren liefen von Seite zu Seite. Allmählich drangen Töne an Losjs Ohr, und er hörte eine kaum wahrnehmbare, feine, erstaunliche Musik.
    Er schloß das Buch und stand lange, angelehnt an das Regal, erregt und betäubt von einer noch nie empfundenen Bezauberung: das war ein singendes Buch.
    »Mstislaw Sergejewitsch«, erscholl die hallende Stimme Gussews durch das ganze Haus, »kommen Sie doch mal schnell hierher.«
    Losj trat in den Gang hinaus. An seinem anderen Ende stand Gussew in der Tür, erschrocken lächelnd. »Sehen Sie doch nur, was sich bei ihnen tut.«
    Er führte Losj in ein schmales, halbdunkles Zimmer; an der hinteren Wand war ein großer, quadratischer matter Spiegel eingelassen, vor dem einige Schemel und Sessel standen. »Sehen Sie, da hängt eine Kugel an der Schnur; ich dachte, sie wäre aus Gold, und wollte sie abreißen – und nun sehen Sie, was dabei herausgekommen ist.«
    Gussew faßte die Kugel und zog an der Schnur. Der Spiegel wurde hell und es erschienen darauf die gestuften Umrisse ungeheurer Häuser, Fenster, in denen die Abendröte sich glitzernd spiegelte, wehende lange Fahnen. Das dumpfe Gemurmel einer Volksmenge erfüllte das dunkle Zimmer. Über den Spiegel glitt von oben nach unten, die Stadt verdeckend, ein geflügelter Schatten. Plötzlich loderte es wie eine Flamme über den Spiegel, ein scharfes Geknatter ertönte unter dem Fußboden des Zimmers, und der Spiegel erlosch.
    »Kurzschluß, die Leitungen sind durchgebrannt«, stellte Gussew fest. »Wir müssen gehen, Mstislaw Sergejewitsch, es ist bald Nacht.«

Sonnenuntergang
    Die schmalen Flügel der Lichtnebelstreifen weit ausbreitend, neigte sich die lodernde Sonne dem Untergang zu.
    Losj und Gussew schritten eilig über die dämmerig werdende und jetzt noch öder und wilder erscheinende Ebene zum Kanalufer. Die Sonne näherte sich schnell dem nahen Rand des Kaktusfeldes und ging unter. Ein die Augen blendendes scharlachrotes Leuchten ging von der Stelle aus, an der sie versunken war. Die grellen Strahlen des Sonnenuntergangs beleuchteten den halben Himmel, wurden aber sehr rasch aschgrau und erloschen. Der Himmel wurde dunkel.
    Da erhob sich dort, wo die Sonne untergegangen war, niedrig über dem Mars ein großer roter Stern. Er ging auf wie ein zorniges Auge. Einige Minuten lang war die Dunkelheit allein von seinen düsteren Strahlen gesättigt.
    Doch jetzt begannen am ganzen unendlich hohen Himmelsgewölbe auch andere Sterne hervorzutreten: glänzende grünliche Gestirne, deren eisige Strahlen ins Auge stachen. Der düstere Stern wurde im Aufgehen immer röter.
    Als sie am Kanalufer angelangt waren, blieb Losj stehen und sagte, mit der Hand auf den Stern weisend: »Die Erde.«
    Gussew nahm die Mütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Den Kopf in den Nacken geworfen, schaute er auf die inmitten der Gestirne schwebende ferne Heimat. Sein Gesicht erschien abgemagert und traurig.
    »Die Erde«, wiederholte er.
    So standen sie lange am Ufer des uralten Kanals, über der Ebene mit den im Schein der Sterne undeutlichen Umrissen der Kaktusgewächse. Und da erschien hinter der scharfen Linie des Horizonts hervor eine helle Sichel, kleiner als die des Mondes, und erhob sich über dem Kaktusfeld. Von den fingerförmigen Pflanzen gingen lange Schatten aus.
    Gussew stieß Losj mit dem Ellbogen an: »Sehen Sie doch nur, was da hinten ist!«
Hinter ihnen, über der hügeligen Ebene, über den Wäldchen und Ruinen leuchtete der zweite Trabant des Mars. Seine runde gelbliche Scheibe, ebenfalls kleiner als der Mond, war im Begriff, hinter den gezackten Bergen unterzugehen. Die Metallscheiben auf den Hügeln warfen sein Licht funkelnd zurück.
»Ist das eine Nacht«, flüsterte Gussew, »wie im Traum.«
    Vorsichtig stiegen sie vom Ufer in das Kaktusgestrüpp hinunter. Vor ihren Füßen sprang irgendein Schatten beiseite. Beim Schein der beiden Monde

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