Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
der Spree mit Westblick. Und wir wären bei unseren vergangenen Treffen doch immer beim gleichen Italiener gewesen, weil ich das so wollte. »Ich fühle mich zu alt für Pizza«, meinte Suse. »Außerdem braucht man Abwechslung, man sollte nicht so eingefahren sein.«
Suse legt sich alles immer schön zurecht. Ich sollte bei ihr mal einen strengeren Ton anschlagen, schießt es mir durch den Kopf. Das Psychogerede ist auch nur eine Masche, um sich überlegen zu fühlen. Aber Suse denkt wahrscheinlich, sie ist objektiv und hat den Durchblick. Heute geht sie mir ein bisschen auf die Nerven. Und das liegt nicht nur daran, dass ich mich mit Gyros, Krautsalat und dem nach Getriebeöl schmeckenden Hauswein zufriedengeben muss, weil Suse nicht zum Italiener wollte.
»Das mit der Aggression unter Frauen liegt in der weiblichen Natur. Merkt man bei den Tieren«, sage ich. Das habe ich von Tine. Meine Freundin Tine leitet alles menschliche Verhalten von den Tieren ab. Bei den Caniden– »Caniden« sind alle hunde- und wolfsähnlichen Tierarten– bekriegten sich die Weibchen heftiger als die Männchen, hat Tine erläutert. Während es bei den männlichen Wölfen um Rangordnungskämpfe gehe, wo eine Unterlegenheitsgeste reiche, um den Stärkeren zu befrieden, wollen Wölfinnen ihre Konkurrentinnen aus dem Rudel vertreiben oder gar totbeißen.
»Frauen können sich fertigmachen wie unter Wölfinnen«, erkläre ich. »Sag’ ich doch die ganze Zeit, da brauche ich nur an Doris und ihr Mutterproblem zu denken«, beharrt Suse. Irgendwie drehen wir uns im Kreis.
»Schreib doch mal was in deinem Blog über Frauenfreundschaften«, schlage ich vor. »Aber keinen Psychokram. Sondern was Brauchbares, welche Techniken besonders gut wirken und so weiter.« Schließlich gibt es jede Menge Ratgeber für Ehen, Flirts und Romanzen. Warum nicht auch ein paar Techniken für Freundschaften unter Frauen formulieren?
»Was meinst du mit Techniken?«, fragt Suse. »Das klingt so krampfig.« Ich lasse mich nicht kleinreden. »Zum Beispiel die 15 -Minuten-Regel«, schlage ich vor. Die 15 -Minuten-Regel stammt von einem Eheberater, lässt sich aber auch auf Frauenfreundschaften anwenden:
Paare, die kaum noch miteinander reden, bekommen folgenden Tipp: Setzt euch einmal die Woche für eineinhalb Stunden zusammen. Dann darf jeder 15 Minuten über sich reden, aber nicht die Gelegenheit nutzen, dem Gegenüber Vorwürfe zu machen, an ihm herumzunörgeln oder ungebetene Ratschläge zu geben. Der andere hört nur zu, unterbricht nicht, fragt vielleicht manchmal nach, kommentiert aber ansonsten nicht und bewertet auch nicht. Nach 15 Minuten ist der andere dran. Dreimal wird gewechselt. Danach sollen sich die Partner angeblich neu verstehen. Der Witz dabei ist, dass beide gleich lang zu Wort kommen. Niemand kann den andern totquatschen– oder totschweigen.
Wer redet am längsten?
»Genau 15 Minuten?«, meint Suse zweifelnd. »Da bräuchte man doch eine Uhr, damit das auch korrekt ist.« »Genau«, sage ich. »Ich habe beim Telefonat mit Theresa schon mal den Test mit der Wanduhr gemacht.« Meine Freundin Theresa spricht am Telefon immer sehr, sehr ausführlich über ihre Kinder. Und über ihre Gesundheit. Und den Stress mit dem Kollegium in der Schule. Theresa hält zwar umgekehrt auch die Klappe, wenn ich was erzähle. Von meinen gesundheitlichen Malaisen. Von den Kindern. Vom Stress in meiner Redaktion. Ich habe jedoch öfter den Eindruck, ich rede irgendwie kürzer. Während Theresa doch sehr ausführlich aus ihrem Alltag und ihrem Innenleben berichtet.
Neulich habe ich auf die Wanduhr in der Küche geschaut, als Theresa und ich miteinander telefonierten. Fast eine Stunde waren wir in der Leitung, ist ja kein Problem mehr, weil jeder in der Familie über einen eigenen Telefonanschluss verfügt. Die tragbaren Festnetztelefonhörer sind ein großes Geschenk für die weibliche Kommunikation: Ich kann den Hörer danebenlegen, auf laut stellen und (unter verhaltener Geräuschemission) Töpfe abspülen, während mir die Freundin aus ihrem Leben berichtet.
Theresa sprach wie immer en detail: Sie hat eine neue Craniosacral-Therapeutin gegen ihre Kopfschmerzen, ihre Tochter machte eine langwierige Grippe durch– »Nicht nur eine Woche, zwei Wochen!«–, und Theresa hat Symptome verstärkten Haarausfalls bei sich festgestellt– »Mein Friseur sagt, das ist normal im Frühjahr, glaube ich aber nicht.«–, außerdem hat ihre Schulleiterin und Vorgesetzte
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