Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
getrennt von ihrem Mann. Und in einem Buch über die Generation der über 60 -Jährigen, dessen Autorin mir entfallen ist, las ich kürzlich, dass es im hohen Alter für Frauen am schlimmsten ist, wenn die engsten Freundinnen sterben. Da steht man dann am Grab…
Suse reißt mich aus meinen Gedanken: »Doris hat nun mal eine furchtbare Mutterbeziehung gehabt. Doppelbödig. Unterschwellig aggressiv. So was wird man nicht mehr los im Leben. Kein Wunder, dass Doris immer wieder in Mobbingsituationen gerät. Schon mit ihrer Kollegin in der Praxis gab es Stress. Und jetzt wieder in ihrem Job im Krankenhaus mit dieser Ärztin. Typisch Doris. Sie kommt vom Regen in die Traufe. Ich kann dir nur sagen: Mobbing unter Frauen! Der Albtraum.«
Wir sitzen an einem Sommerabend in einem neu eröffneten Biergarten an der Spree, die Sonne steht glutrot über der Häuserkette im Westen. Ich habe trotzdem meine warme Fleecejacke mit, denn man weiß ja nie. Es ist einige Wochen her, seit ich Suse das letzte Mal getroffen habe. Und eigentlich habe ich keine große Lust, heute Abend über ihre Freundin Doris zu sprechen. Aber ich muss gar nichts sagen, ich muss nur zuhören. Was praktisch ist an Frauenfreundschaften: Es geht sehr oft ums Zuhören. Macht doch eigentlich keine große Mühe. Möchte man meinen.
»Es kann doch nicht sein, dass Doris ihr altes Problem mit dominanten Frauen immer wieder neu heraufbeschwört«, fährt Suse fort. »War doch klar, dass das Ärger gibt, wenn Doris der Oberärztin schon nach wenigen Wochen erklärt, sie möchte donnerstags immer früher gehen wegen ihres Akkordeonunterrichts. Akkordeon! Kein Wunder, dass sie bei ihrer Chefin jetzt als Freizeittante verschrien ist. Und am liebsten schon wieder kündigen will.«
Ich stoße einen leisen Seufzer aus. Doris, die als Physiotherapeutin auf eine neue Stelle in einem Krankenhaus gewechselt hatte, hat Suse am vergangenen Wochenende wieder hemmungslos vollgequatscht mit ihren Problemen. Jetzt krieg ich es ab, schon seit einer gefühlten halben Stunde. Frauen werden gerne zu Müllkutscherinnen und suchen einen freien Platz, wo sie den zuvor bei einer anderen Freundin aufgesammelten Unrat wieder abladen können.
Ich starre ins Wasser, um mich abzulenken. Idyllisch ist die Spree eigentlich nicht. Schon irre, was hier im Fluss so vorbeitreibt. Wer schmeißt eigentlich gebrauchte Aldi-Tüten und leere Bierflaschen ins Wasser? Das liegt am schönen Wetter. Im Winter treibt weniger Müll in der Spree.
»Frauenbeziehungen«, werfe ich ein, um auch mal zu Wort zu kommen, »können schwierig sein wie eine Ehe.« Ich erinnere Suse an die Fernsehserie »Sex and the City.« In den Episoden redeten die Frauen vor allem über Männer– wie man sich einen angelt, wie sie einen enttäuschen, und wie man über sie hinwegkommt. Die Frauen hielten zusammen und trösteten sich, als Samantha unter Ecstasy ihrem Boss eine Liebeserklärung machte, Carrie darunter litt, dass Mr. Big aus New York wegziehen wollte, und Charlotte mit ihrem Scheidungsanwalt ins Bett gegangen war. Die Männer wechselten, die Freundinnen blieben.
Unter Wölfinnen
Während der Blick der Freundinnen auf die Männer zwischendurch kühl und berechnend war, herrschten in den Frauenfreundschaften bei »Sex and the City« meistens Solidarität und Verständnis. Kein Wunder, dass sich die Hauptdarstellerinnen hinter den Kulissen angeblich heftig stritten und in Interviews betonten, die Serie sei vor allem »ein Job«. Eine von ihnen, Cynthia Nixon, lebt jetzt mit einer Frau zusammen. Der Grund, warum sie ihre Partnerin Christine so liebe, sagte Nixon in einem TV -Interview, sei deren Männlichkeit. »Eigentlich ist sie ein kleingewachsener Mann mit Brüsten.« Frauenbeziehungen können schon verwirrend sein.
»Weiß ich gar nicht, ob das unter Frauen wirklich so kompliziert sein muss«, entgegnet Suse auf meine Ausführungen. »Doris müsste nur mal an sich arbeiten. Ich glaube nämlich, sie strahlt subtil auch was Aggressives aus. Was Rücksichtsloses. Liegt an ihrem ungelösten Mutterproblem.«
Ah, die Psyche! Und das Reden darüber. Ich picke lustlos ein paar Brocken Gyros mit der Gabel auf. Das ist das offensichtliche Problem dieses Biergartens: Hier gibt es nur ziemlich fettes Essen. Gyros, Tsatsiki, Schafskäse, Oliven und dann dieser fuselige Wein: Eigentlich hätte ich lieber was anderes als griechisch gegessen. Aber Suse bestand darauf, heute hierherzukommen. Wegen der »wunderschönen Lage« an
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