Aelter werden ist viel schoener als Sie vorhin in der Umkleidekabine noch dachten - Neues aus der Lebensmitte
großzügig von ihrem Komfortstuhl aus vor. Ich lehne das Angebot ab. »Danke, ich bin geerdet«, gebe ich zurück. Guter Wortwitz, immerhin.
Das Teewasser kocht, Winfried gießt auf. Er stellt den Kocher vom Tisch auf eine umgedrehte Proviantkiste. Dann rollt er seine Isomatte aus. Er hat eine von diesen Thermarest-Matten, die sich von alleine aufblasen, er muss nur etwas nachpusten. Winfried lässt sich auf die Matte sinken. Weg mit dem instabilen Campinghocker. Einen richtigen Schneidersitz mit den Knien am Boden kriegt er aber nicht hin.
»Auf dem Boden sitzen hält jung«, behauptet Winnie. »Man braucht eigentlich kein Mobiliar.« Das mussten auch die Abenteurer Burke und Wills erfahren, die im 19 .Jahrhundert aufbrachen, um Australien zu durchqueren. Auf ihrem Treck mit rumpelnden Wagen schleppten sie sogar eine Badewanne und einen Eichentisch samt passenden Stühlen mit. Die Expedition nahm ein unrühmliches Ende. Winnie gibt diese Geschichte nicht zum ersten Mal zum Besten.
»In Patagonien«, erzählt Winnie, »da saßen wir auch auf dem Boden und haben im Freien gekocht. Und dort herrschten weiß Gott andere Temperaturen.«
Winnie machte in jüngeren Jahren wirklich anstrengendere Urlaube als unsere Osterwanderreise nach Norditalien. Im Himalaya schaffte er Gehzeiten von bis zu acht Stunden. Nach der Phase der Strandurlaube mit Natalie und seiner Knieoperation, die einige Komplikationen mit sich brachte, will Winnie es aber nur noch mit leichtem Trekking versuchen.
Vogelbeobachtung mit »Arzt an Bord«
Mit Winnie habe ich schon öfter über den Markt für Erlebnisreisen gelästert, einen Markt, der sich nahtlos anschließt an die Industrie für atmungsaktive Softshelljacken und abriebfeste Hosen mit UV -Schutz. Erfahrene Globetrotter wie Winnie unterscheiden genau, ob eine solche Reise nur ein gut gefülltes Bankkonto erfordert oder eine gute Kondition.
Wer nur mit Guide und Schlauchboot einen Fluss herunterraftet oder sich beim Canyoning abseilt und damit die Schwerkraft nutzt, genießt bei den Insidern weniger Respekt als jemand, der sich gegen die Schwerkraft nach oben kämpft wie beim Bergsteigen oder Mountainbiken. Wer eine sogenannte »Alpenüberquerung« plant, tut gut daran, einige Monate zuvor mindestens dreimal in der Woche Ausdauertraining zu betreiben. Es sei denn, man nimmt die Variante »Alpenüberquerung 50 plus«. Da werden längere Strecken mit dem Tourenbus abgekürzt. Ich finde diese Variante sympathisch.
Wer eine Erlebnisreise pauschal buchen will, dem öffnet sich eine Vielfalt von Angeboten. Wie wäre es mit Vogelbeobachtungen in Polen, »Birdwatching« genannt, wo man tagelang durchs Unterholz robben kann, Kranichen und Schreiadlern auf der Spur? Oder einer Projektreise nach Thailand, bei der man durch die Buchung von örtlichen Kochkursen gleich eine Schule für benachteiligte Kinder mitfinanziert? Kinder, die dann hoffentlich mit dankbaren Augen am Tisch stehen, wenn man die selbst gekochte Hühnersuppe in Kokosmilch mit Zitronengras kredenzt.
Fast schon geruhsam mutet dagegen ein Kameltrekking in Tunesien mit Übernachtungen in Beduinenzelten an, Suse und Jürgen haben das gemacht. »Man sitzt auf Bodenkissen«, warnt der Veranstalter im Prospekt. Das Auf-dem-boden-Sitzen scheint in der Tat eine nicht ganz unproblematische Sache zu sein für Kunden in einem gewissen Alter. Da will ein Reiseveranstalter später kein Gerichtsverfahren wegen schwerer Mängel am Hals haben und warnt die Touristen lieber vor.
Wer auf Nummer sicher gehen will, bucht eine »ärztlich begleitete Reise«, wie sie einige Veranstalter inzwischen anbieten. »Schon ab Deutschland immer ein Arzt dabei«, wirbt ein Anbieter für seine Fernreisen durch Vietnam und Indien. Was Sinn macht: Mir erzählte ein Reiseleiter, dass auf vielen Erlebnisreisen Teilnehmer zusammenklappen, weil sie bereits krank oder altersgeschwächt sind, diesen Trip aber trotzdem unbedingt machen wollten. Ich muss zugeben, dass ich auf der Indienreise mit Christoph und den Kindern im vergangenen Jahr auch gerne einen Arzt dabeigehabt hätte, um unsere Verdauungsprobleme zu kurieren.
Doch für die meisten muss es nicht unbedingt gleich ein Mediziner sein, um die Reiseangst zu bannen. Dafür reichen auch schon vertraute Sanitäranlagen. Im Himalaya gibt es längst »Klopapier-Trails«. Das sind Wanderstrecken, auf denen die Lodges gepflegte Sitztoiletten mit Klopapier für die Westtouristen bereithalten.
Auf indischen und
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