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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Belozerski, Jazikow und Vielgorski auseinanderzusetzen. Ihre Fratzen tauchten in der ganzen russischen Geschichte auf: die miesen Lakaien und grausamen, mißtrauischen Führer.
    Er wollte den Kreislauf durchbrechen: dazu hatte er nun die Chance. Seine Heimat war nicht mehr, seine Pflicht getan: er war für seine Männer schon einmal in den Tod gegangen. Wenn vielleicht Generalmajor Sosnitski noch leben würde… Aber falls der Generalmajor noch lebte, wäre Mirski gar nicht an dieser seiner Stelle…
    Er verließ die Bibliothek und fuhr mit der Bahn zum Fort in der vierten Kammer. Dort packte er Vorräte in einen Laster, wobei niemand, nicht einmal Pletnew, der in wenigen Metern Entfernung dastand und ihm leicht verwundert zusah, eine Erklärung abverlangte.
    Sie werden froh sein, wenn sie mich los sind, dachte sich Mirski. Dann können sie sich ungehemmt ihren Intrigen und Brutalitäten hingeben. Das politische Triumvirat wird wiederkehren und seinen angestammten Platz zurückfordern. Ich war von Anfang an ein Klotz am Bein…
    Seine letzte Pflicht bestand darin, für Garabedian eine Nachricht zu verfassen:
     
    Viktor!
    Die drei politischen Offiziere kehren zurück. Innerhalb der nächsten vierzig Stunden tauchen sie in der Bibliothek der dritten Kammer auf. Macht sie zu euren Führern, wenn ihr wollt; ich werde sie nicht mehr hindern.
     
    Er hinterließ die Nachricht in einem Kuvert in Garabedians Zelt.
    Dann fuhr er mit dem Laster in den Wald und hielt auf eine bislang unerforschte Gegend zu. Dort wollte er allein sein, sich ein Floß bauen und über einen seichten See zu einer baumbestandenen Insel staken oder einfach die Wälder durchstreifen, wie sie direkt oberhalb in fünfzig Kilometer Entfernung sichtbar waren.
    Dann wollte er entscheiden, wie’s weiterginge.
    Er hatte nicht vor zurückzukehren.

 
57. Kapitel
     
    Das Innere des Defektfahrzeugs, in dem sich Privilegierte und Würdenträger drängten, war noch eigenwilliger gestaltet als Olmys Schiff. Die Oberflächen variierten von Perlweiß bis Schiefergrau. Es schien keine Kanten und Ecken zu geben; da war nur die geräumige, langgezogene Kabine, die sich um Defekt und Antrieb schmiegte. Leute in vielfältigen Körperformen tummelten sich auf Traktionsfeldern in der Kabine und piktographierten miteinander oder plauderten in Englisch und Chinesisch. Manche nippten aus freischwebenden Kugeln, die mit Getränken gefüllt waren und mit bewundernswerter Gewandtheit und Voraussicht umhersegelten, ohne zu kollidieren.
    Lanier stellte sich etwas ungeschickt an beim Hantieren mit den Traktionsfeldern. Die gelenkige Farley schien dafür eher geeignet, was ihn beinahe neidisch machte und zu neuen Übungsmanövern anspornte. »Herrlich ist das«, schwärmte sie, indem sie sich langsam neben ihm drehte und dann die Hände ausstreckte und sachte an einem violetten Feld abbremste.
    Heineman und Carrolson flanierten aufeinandergestützt durch die Homomorphen und Neomorphen und lächelten steif und nickten und hofften, daß stimmte, was Olmy ihnen versichert hatte: es könne ihnen praktisch keine Peinlichkeit unterlaufen, da alles, was sie täten, als charmant und reizend betrachtet würde. Schließlich waren sie ungemein »drollig«.
    Patricia mied Gesellschaft und gab ihre Tasche, in der Tafel, Prozessor und Multimeter steckten, nicht aus der Hand. Ihr Versuch, unauffällig zu bleiben, scheiterte kläglich.
    Suli Ram Kikura fraktionierte zu Patricia, wobei sie das schnelle Piktographieren eines Mannes unterbrach, dessen Haut wie schwarzer Hämatit glänzte. Der Mann entschuldigte sich mit ein paar einfachen Pikts, daß er Patricias piktographische Kenntnisse überfordert hatte. Dann begann er in eher bescheidenem Englisch, das er sicher erst in einer kurzen Einführungslektion in letzter Minute erworben hatte, eine schwierige Diskussion der frühen Wirtschaftsverhältnisse auf der Erde. Kikura hatte sich wieder entfernt, um einen anderen Zwischenfall zu bereinigen: Lanier wurde langsam aber sicher von zwei schlanken, hübschen Damen in eine Nische gedrängt. Die Damen trugen einen hautengen Leopardendreß mit wehenden Schleiern zwischen den Beinen und unter den Achseln, womit sie an prächtige Goldfische erinnerten. Sie ließen sich weder von Lanier noch von Farley abwimmeln.
    Patricia hörte dem Mann eine Weile zu. »Ich kenn’ mich damit nicht aus«, sagte sie schließlich. »Ich bin in der Physik daheim.«
    Der Mann sah sie groß an; man konnte beinahe

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