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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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blitzschnell in den Wald zurück.
    Am achten Tag sahen sie sich wieder; der Soldat stand am anderen Ufer eines Teichs und rannte nicht weg.
    »Allein, was?« fragte der Soldat.
    »Bis jetzt schon«, antwortete Mirski.
    »Aber du bist der Kommandant«, sagte der Soldat vorwurfsvoll.
    »Gewesen«, erwiderte Mirski. »Beißen die Fische hier?«
    »Nicht besonders. Es gibt zwar überall Fliegen und Mücken hier, aber sie beißen nicht.«
    »Ist mir auch aufgefallen.«
    »Warum wohl?«
    »Gutes Design«, meinte Mirski.
    »Ob’s hier schneit?«
    »Glaub’ schon. Einmal im Jahr oder so«, erwiderte Mirski. »Aber es wird nicht recht kalt. Nicht wie in Moskau.«
    »Wenn’s nur schneien würde – ich mag Schnee«, sagte der Soldat. Mirski nickte, und dann trafen sie sich auf einer Seite des Teichs und wanderten gemeinsam durch die Wälder auf der Suche nach einem besseren Angelplatz.
    »Die Amerikaner würden uns Huckleberry Finn und Tom Sawyer nennen«, bemerkte der Soldat, als sie ihre Angeln in einen Bach hängten. »Die Amerikaner sind gar nicht mehr so schlimm wie auf der Erde. Ich wollte schon überlaufen.«
    »Und warum hast du’s nicht getan?« fragte Mirski.
    »Ich wollte allein sein, ohne Menschen um mich herum. Aber es stört mich nicht, daß du hier bist.« Der Soldat ruckte an seiner Rute und hoffte, damit vielleicht eine Forelle zu überlisten. »Gibt mir neuen Glauben an die Menschheit. Sogar ein General will nichts mehr wissen von alledem und haut in den Sack.«
    Der Soldat, der Mirski seinen Namen nicht verriet, war vor Wochen aus dem Lager abgehauen und wußte natürlich nichts von Mirskis Tod in der Bibliothek und so weiter. Und Mirski erzählte ihm nichts.
    Mirski fühlte sich allmählich wieder wie ein Mensch und kam sich nicht mehr wie ein Ungetüm oder Gespenst vor. Es war herrlich, Zeit zu haben und einen Wassertropfen auf einem Blatt zu beobachten oder die Wellen, die ein Fisch schlug, wenn er nach einem Insekt schnappte. Es spielte keine Rolle mehr, wer er war, sondern daß er war.
    Zwei weitere Tage verstrichen. Allmählich fragte Mirski sich, ob man nach ihm suche. Mit hochauflösenden Teleskopen könnte man sie leicht sehen, und mit Infrarotsensoren könnte man sie sogar unter Bäumen und Büschen aufspüren. Inzwischen waren die Zampoliten schätzungsweise wieder frei und bauten ihre Vormacht aus – falls Pletnew und die anderen seine Warnung in den Wind geschlagen hätten.
    Es interessierte ihn nur mäßig, was sich zugetragen hatte.
    Was er am allermeisten vermißte, das war die Nacht. Er hätte alles gegeben für ein paar stockfinstere Stunden, wo man die Augen schließen könne und nichts sehen würde, nicht mal das feine Schimmern des gedämpften Waldlichts durch die Lider. Darüber hinaus vermißte er den Mond und die Sterne.
    »Glaubst du, es lebt noch jemand auf der Erde, den wir kennen?« fragte der Soldat eines Morgens, als sie über einem kleinen Feuer eine Forelle brieten.
    »Nein«, gab Mirski zur Antwort.
    Der Soldat legte den Kopf schräg und schüttelte ihn dann ungläubig. »Meinst du nicht?«
    »Sehr unwahrscheinlich«, erwiderte Mirski.
    »Nicht mal jemand von der Führungsspitze?«
    »Vielleicht. Aber von denen hab’ ich keinen richtig gekannt.«
    »Mmmm«, machte der Soldat. Als wäre das noch relevant, fragte er dann: »Sosnitski, hast du den gekannt?«
    »Nicht näher.«
    »Das war ein guter Mann«, antwortete der Soldat, der nun die Forelle vom Feuer nahm und mit seinem Messer fachmännisch zerlegte. Er reichte Mirski die Hälfte und warf Kopf und Gräten ins Gebüsch.
    Mirski nickte und aß den Fisch mitsamt der Haut und kaute bedächtig, als er hinter dem Soldaten im Wald etwas aufblitzen sah. Er kaute nicht weiter. Der Soldat sah seinen verblüfften Blick und drehte sich um.
    Ein längliches, metallenes Objekt flog zwischen den Bäumen hervor und bis auf wenige Meter heran. Mirski staunte nicht schlecht: das Ding glich einem russischen Kreuz mit einer schweren Kugel am Fuß. An der Verbindungsstelle des Querbalkens leuchtete ein gleißender Lichtpunkt.
    Der Soldat stand auf. »Amis?« fragte er.
    »Glaub’ ich nicht«, meinte Mirski, der sich ebenfalls erhob.
    »Meine Herren«, sagte eine Frauenstimme in Englisch, »haben Sie keine Angst. Wir tun Ihnen nichts. Unsere Detektoren haben festgestellt, daß sich hier jemand mit chirurgischer Prothetik befindet.«
    »Amis!« rief der Soldat und wich zurück.
    »Was, wer bist du?« fragte Mirski in Englisch.
    »Bist du

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