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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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stellte den Motor ab und schwang sich aus dem Führerhaus. Patricia blieb Sitzen und starrte auf das Bild, das sich ihren Augen bot.
    Hinter der Rampe lag ein zwei Kilometer breiter Park mit Baumgruppen und zahlreichen breiten, flachen, hellen Betongebilden, die an dicke Fundamente erinnerten. Hinter dem Park schloß sich ein länglicher See oder Fluß von etwa einem Kilometer Breite an, der in Ost- und Westrichtung um die ganze Kammer verlief. Eine Hängebrücke mit schlanken, hohen Türmen spannte sich zwischen massiven Betonpfeilern über das Wasser.
    Die Brücke zeigte zu einer Stadt.
    Es hätte Los Angeles sein können an einem sehr klaren Tag oder eine x-beliebige moderne Stadt der Erde, wovon sie sich nur durch ihren übertrieben surrealistischen Charakter unterschied. Sie war größer, ehrgeiziger und geordneter, architektonisch reifer. Verteilt auf die gesamte Stadt ragten da die größten Bauwerke auf, die Patricia je zu Gesicht bekommen hatte. Leicht vier Kilometer hoch, glichen sie gewaltigen Kronleuchtern aus Beton, Glas und glänzendem Stahl. Jede Facette des nächststehenden Lüsterbauwerks war so groß wie ganze Gebäude dazwischen. Das Lüsterbild wirkte noch authentischer, als Patricia den Blick hob und sah, daß solche Gebilde auch von der Decke der Kammer hingen. Über die zwei Schichten Atmosphäre und fünfzig Kilometer wirkte die Stadt wunderbar unwirklich – wie ein Modell in staubigen Museumsvitrinen.
    Augen und Kopf rollten hin und her, als verfolgte Patricia ein langsames Tennismatch.
    »Guten Morgen, Mr. Lanier«, sagte der diensthabende Officer, der nähertrat, um einen Blick auf sein Abzeichen zu werfen. »Ist sie neu?«
    Lanier nickte. »Patricia Vasquez. Mit unbeschränktem Zugang.«
    »Ja, Sir. General Gerhardt kündigte gestern Ihren Besuch an.«
    »Und tut sich hier was?« fragte Lanier.
    »Mitchells Erkundungstrupp durchsucht gerade das K-Mega bei dreißig Grad und sechs Ka-em.«
    Lanier beugte sich ins Führerhaus. »Mega heißen die großen Gebäude«, erklärte er. Patricia schirmte mit der Hand die Augen vor dem Röhrenlicht ab, um besser zur andern Seite der Kammer sehen zu können. Sie bemerkte Grünflächen und Teiche und Straßenzüge – angelegt in konzentrischen Kreisen und in Rechtecken.
    Von der gegenüberliegenden Wand war sie so weit entfernt wie Long Beach von Los Angeles. Trotz ihrer Größenordnung war die Stadt eindeutig Menschenwerk.
    Lanier trat aufs Trittbrett und fragte, ob sie sich vor der Weiterfahrt die Beine vertreten möchte.
    »Wie heißt sie?« fragte Patricia.
    »Alexandria.«
    »Habt ihr sie so getauft?«
    Lanier schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Fahren wir heute noch das ganze Stück bis zur siebten Kammer?« fragte sie.
    »Wenn du durchältst.«
    »Wie lange bleiben wir hier?«
    »Höchstens ein paar Stunden. Du sollst einen Blick auf die Bibliothek werfen, bevor wir weiterfahren.«
    »Die Bibliothek?«
    »Ja«, erwiderte Lanier. »Einer der Höhepunkte.«
    Patricia lehnte sich verblüfft zurück. »Ist das eine verlassene Stadt?«
    »Die meisten von uns sind dieser Meinung. Es liegen vereinzelte Meldungen vor, aber das kommt wohl von den Nerven. Von Spuk redet das Sicherheitsteam. Von Gespenstern. Wir haben nie einen lebenden Steinler gefunden.«
    »Und tote?«
    »Viele. Es gibt Grabstätten in dieser Kammer und in der vierten. Der Zentralfriedhof von Alexandria liegt bei sechsundzwanzig Grad und zehn Kilometern. Verstehst du das Koordinatensystem?«
    »Denke schon«, erwiderte Patricia. »Der Winkel von der Achse aus, dann Entfernung in Ka-em von der Kappe. Aber wo liegt Null und welche Kappe?«
    »Null ist die Brücke und gemessen wird von der Südkappe.«
    »Das ist also kein Einweihungsritus – du hast mir keinen Bären aufgebunden. Es haben Menschen den Stein gebaut.«
    »Ja«, sagte Lanier.
    »Ich weiß«, meinte Patricia mit einem Seufzer. »Du wirst schon sehen.« Sie kletterte aus dem Wagen, streckte sich und rieb sich die Augen. »Ich staune.«
    »Als ich Alexandria zum ersten Mal sah, fühlte ich mich richtiggehend heimisch«, meinte Lanier. »Ich wuchs in New York auf, zog mit fünfzehn nach LA – lebte praktisch ständig in der Großstadt. Trotzdem staunte ich nicht schlecht bei diesem Anblick. Wir könnten zwanzig Millionen Leute in nur diese Kammer übersiedeln, und sie wäre noch nicht überfüllt.«
    »Ist der Stein deshalb so wichtig – als Immobilie?«
    »Nein«, entgegnete Lanier. »Wir haben nicht vor, Wohneigentum zu

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