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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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mit der Bahn von der sechsten zur dritten Kammer. Hin und wieder benutzte sie die Bibliothek in der zweiten Kammer, wobei sie manchmal blieb und auf der Pritsche im verdunkelten Lesesaal schlief. Das war allerdings nicht gerade ihr liebster Schlafplatz – sie bevorzugte das Zelt in der siebten Kammer mit Menschen ringsum –, aber der ungestörteste. Nicht einmal Takahashi benutzte die Bibliothek in der zweiten Kammer häufig.
    Die Bibliotheken waren die beiden Hauptbereiche ihrer Arbeit. Während die Probleme, die ihren Verstand durchwanderten, von einem Punkt zum nächsten schritten, befaßte sie sich damit, mehr Informationen aufzunehmen, als sie benötigt hätte; sie schwelgte in intellektueller Fülle.
    Wenn sie um Quellen bat zum Aufbau des Steins, erschien als deutliches Signal die massive schwarze Kugel, morgensternartig von einem Stachelkranz umgeben. Eine freundliche Stimme kommentierte dazu: »Es stehen derzeit keine Daten darüber zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich ans Bibliothekspersonal.«
    Bald hatte sie die frustrierende Systematik dahinter durchschaut. Buchstäblich alles, was mit der Theorie und Konstruktion der sechsten Kammer zu tun hatte, war unzugänglich. Es gab keinerlei Informationen zur siebten Kammer und zum Korridor; die Antwort auf einschlägige Fragen lautete schlicht: »Nicht vorhanden…« in Kombinationen mit einem schwarzen Balken.
    Während sie sich über die schroffe Abfuhr ärgerte, fiel ihr ein, daß sie zurückgehen und die eigenen – auch zukünftigen – Arbeiten abrufen könnte, um zu sehen, ob es zu ihr ein Gegenstück gäbe und ob dieses Gegenstück einen prägenden Beitrag zum Universum des Steins geliefert hätte.
    Dabei war ihr dieses Vorgehen gar nicht geheuer; abergläubisch zögerte sie immer wieder, dieser Frage auf den Grund zu gehen. Als sie schließlich an ihren Namen geriet, geschah dies aus purem Zufall.
    Die einzig nützlichen Hinweise zur sechsten Kammer waren in der Bibliothek von Alexandria zu finden und steckten in einem fünfundsiebzigbändigen Grundlagenwerk, das den Eindruck einer Kunstdruck-Edition für Sammler oder nostalgische Ruheständler aus technischen Berufen erweckte.
    Es war der fünfundvierzigste Band, ein Zweitausend-Seiten-Wälzer voller Theorie über die anfängliche Technik in der sechsten Kammer und die Trägheitspufferung, wo sie ihren Namen in einer Fußnote entdeckte.
    Im dunklen Lesesaal, der mit Tischlampen und Lichtleisten nur spärlich beleuchtet war, starrte sie mit großen Augen auf die Anmerkung.
    »Patricia Luisa Vasquez«, las sie wie verzaubert. »Theorie n-räumlicher Geodäsie, bezogen auf die Newtonsche Physik mit besonderer Berücksichtigung der p-Simplon-Weltlinien.« Sie hatte keinen Aufsatz dieses Titels geschrieben – noch nicht jedenfalls.
    Es würde im Jahre 2023 im Postmortalen Journal für praktische Physik erscheinen.
    Patricia würde also den Tod überleben.
    Und zumindest auf diese bescheidene Art zum Bau des Steins beitragen.
    Sie fand den Artikel auch in der Bibliothek der Stadt Thistledown, wo man ihn offenbar für dermaßen antiquiert hielt, daß er nicht mit einer Sperre belegt war. Beim Lesen bekam sie klamme Finger, so kompliziert war der Text. Sie mußte sich durch fremde Symbole und eigenartige Begriffe kämpfen und hatte Mühe, nachzuvollziehen, was ihr Gegenstück in achtzehn Jahren niederschreiben würde – oder schon vor Jahrhunderten niedergeschrieben hatte. Insgesamt hatte sie nur eine leise Ahnung.
    In der später korrigierten Anfangsplanung hatte die sechste Kammer nur den Zweck gehabt, die Massenträgheit ausgewählter Gegenstände im Stein parallel zur Achse zu dämpfen. Diese Funktion hatte ein kanalartig eingefaßtes Flußbett, eine spezielle Architektur der Gebäude und eine insgesamt andere Anlage der Kammern selbst überflüssig gemacht.
    Zu Beginn der Steinkonstruktion war als Obergrenze für Vorwärts- und Bremsbeschleunigung drei Prozent g festgelegt worden. Dank der Maschinerie in der sechsten Kammer erübrigte sich jede Begrenzung der Beschleunigungskräfte. Die Kammern des Steins bildeten ein kontrolliertes, in sich abgeschlossenes System, in das keine äußeren Einflüsse mehr hereinwirkten.
    In ganzen Kapiteln wurde erklärt, warum die Dämpfung nicht allgemein wirkte; in diesem Fall hätte sich die Rotation des Steins nämlich erübrigt und würde alles innerhalb der Kammern schwerelos umherfliegen. Vielmehr wurde extrem selektiv gedämpft.
    Und das waren

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