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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Sobald der Röhrengleiter auf die Singularität geschoben und stabilisiert war, wollte Heineman die Klammern durch eine einunddreißig Kilometer lange Fahrt die Achse entlang testen. Hinunter ginge es so weit im Korridor – hatte er sich sagen lassen – viel problemloser; er könnte absteigen in einer nahezu geraden Linie und brauchte nicht die innerhalb der rotierenden Kammer notwendige Spirale zu fliegen.
    Das V/STOL sollte ausklinken und sich durch kurze Stöße aus den Hydrogenperoxid-Motoren von der Achse wegbewegen. Dann würde es frei fallen und auf Widerstand stoßen in Höhe der atmosphärischen Grenze und Plasmaröhre – etwa zweiundzwanzig Kilometer über dem Kammerboden und drei Kilometer von der Achse entfernt. Luftströmungen und Coriolis-Turbulenzen und Kompressionswärme machten den ersten Kilometer mit dünner Luft zu einem heiklen Unterfangen; der V/STOL-Pilot müßte viel von dem über Bord werfen, was er auf der Erde gelernt hatte.
    Die Erbauer hatten den Treibstoffverbrauch des Flugzeugs geschätzt. Es könnte zwanzigmal auf und absteigen und ungefähr viertausend Kilometer bei Reisegeschwindigkeit in der Luft zurücklegen und müßte dann die Treibstofftanks des Röhrengleiters mit Sauerstoff und Wasserstoffperoxid anzapfen. Der Röhrengleiter könnte das V/STOL fünfmal betanken. Und an die Singularität geklammert, hätte der Röhrengleiter unter Ausnutzung des räumlichen Transformationseffekts eine unbestimmte Reichweite.
    Jetzt flogen Senkrechtstarter und Röhrengleiter frei. Waren sie erst aufgefädelt, könnten sie mit Treibstoff und Sauerstoff vom Landebereich am Bohrloch der siebten Kammer betankt werden.
    Ringsum rotierte nun die sechste Kammer, eine zylindrische Wolkenlandschaft mit Fenstern und Lücken, durch die die Maschinerie sichtbar war, die er erst vor drei Tagen kennengelernt hatte.
    Er hatte den Verdacht, daß die Archäologen und Physiker gemeinsame Sache gemacht und ihn aus reiner Bosheit von den interessantesten Stellen des Steins ausgeschlossen hatten. »Keine bewegliche Mechanik«, hatte Carrolson gesagt. »Wir dachten nicht, daß dich so was interessieren würde.« Er knirschte mit den Zähnen und stieß dann mit einem Pfiff die Luft aus. Die Maschinerie in der sechsten Kammer war ein Wunderwerk. Er hätte sich nie träumen lassen, so etwas je zu Gesicht zu bekommen – nicht mal auf dem Stein. Davon ließ er sich nun dermaßen ablenken, daß er beinahe aufs Fliegen der gekoppelten Maschine vergaß.
    Das letzte Bohrloch näherte sich rasch. Er drosselte das Tempo und stupste die Maschine ein letztes Mal. Gefaßt auf kleine Korrekturen innerhalb des Lochs und Turbulenzen, die von Schwankungen aufgrund des Erde-Mond-Orbits des Steins herrührten, sollte er auch in der Lage sein, direkt auf die Singularität zu gleiten, das Gerät mit den Klammern abzubremsen und somit den Erprobungseinsatz des Röhrengleiters fortzuführen.
    »Da«, sagte Carrolson und deutete. Sie blickte durch ein polarisiertes, gefiltertes Fernglas auf die Nahtstelle von Plasmaröhre und Südkappe und reichte das Glas schließlich an Farley weiter. Farley setzte das Glas an und sah deutlich das gepaarte Gerät, das anscheinend auf der Stelle schwebte; die Singularität war auf diese Entfernung überhaupt nicht auszumachen.
    »Fliegt er heute runter?«
    Carrolson nickte. »Heineman probiert’s aus und wartet dann, bis Lanier zurück ist.«
    Rimskaya erschien hinter ihnen und blieb wortlos stehen, während sie das Glas hin und her reichten. »Meine Damen«, sagte er, »wir haben zu tun.«
    »Sicher«, erwiderte Farley. Carrolson grinste hinter Rimskayas Rücken. Sie kehrten ins Zelt zurück.

 
16. Kapitel
     
    Vasquez setzte ihre Erkundungstour durch die Stadt der dritten Kammer mittels Bibliothekssimulation fort. Sie stellte fest, daß sie freizügig durch die Aufzeichnungen wandern und jede gewünschte Richtung einschlagen konnte, wobei ihr der Zutritt in Privaträume allerdings nach wie vor verwehrt blieb.
    Auf diese Ausflüge griff sie hauptsächlich zurück, um nach konzentrierten Denkphasen zu entspannen und abzuschalten. Darüber hinaus erkundete sie die Stadt zu Fuß; es gab ihr ein berauschendes Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, mittels Faltplan oder Tafel plus Memoblock die Stadt zu erwandern, ohne jemandem Rechenschaft ablegen zu müssen. Dabei schaffte sie es fast, ihre düsteren Gedanken zu verdrängen – aber nur fast.
    Wenigstens ein Mal pro vierundzwanzig Stunden fuhr sie

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