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Äon

Äon

Titel: Äon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Brücke war nach wie vor nur ein weißer Strich auf dem schwarzblauen Strom. War es überhaupt die richtige Brücke?
    Ja. Er konnte als kleinen Punkt daneben das Wachhäuschen und als Striche die Zäune und Sandsackwälle ausmachen. Und er konnte unmöglich so weit gefallen sein, daß er in die dritte Kammer vorgestoßen wäre… Er war schon richtig, war nah daran – zu nah vielleicht. Er müßte sich abtreiben lassen.
    Der Wind säuselte nur noch um seinen Helm. Er checkte Laser und Kalaschnikow und Ausrüstung am Gürtel.
    Das Lösen des Schirms hatte rein nach Augenmaß zu geschehen. Es wäre sinnlos gewesen, von der Achse aus zu zählen, da jeder mit anderer Geschwindigkeit fiel. Er streckte den Daumen vor. Er bedeckte die Brücke in gesamter Länge.
    Er zog an der Reißleine, und der Fallschirm schnellte empor, blähte sich auf, sackte in sich zusammen und blähte sich von neuem in ganzer Größe auf.
    Mit einem Ruck wurde Mirski nach oben gezogen und getragen. Er griff nach den Steuerleinen und zog bald an der einen, bald an der anderen, um die Richtung zu korrigieren.
    Mit Erleichterung stellte er fest, daß er ungefähr fünf Kilometer vom Ziel entfernt landen würde. Seine Chancen, nicht abgeschossen zu werden, standen gut, es sei denn, sie hätten weit mehr Männer, als der Informant gemeldet hatte, und Gewehre mit Radarzieleinrichtung, worüber sie in den Kammern angeblich nicht verfügten.
    Er sah viele andere neben und über, aber nur wenige unter sich. Einige Hunderte insgesamt.
    Mirski versuchte vergebens, die Tränen zurückzuhalten.

 
27. Kapitel
     
    »Wo ist Patricia?« Carrolson sah sich in dem Durcheinander um.
    »Weiß nicht«, meinte Farley. »War vor’n paar Minuten noch hier.«
    »Man muß sie suchen!«
    »Ich geh’ schon«, sagte Carrolson. Sie wollte sowieso hinaus, da sie sich nicht sicher war, die Szene in der Cafeteria länger ertragen zu können.
    Also ging sie hinaus ins Freie und suchte das ganze Lager ab. Dabei entdeckte sie etwas Eigenartiges; vor der dunkelgrauen Südkappe fielen weiße Pünktchen wie Schneeflocken – zu Dutzenden, zu Hunderten. Ein Mariner mit zwei Apple in der Hand lief vorbei. »Da!« rief sie und deutete, aber niemand schenkte ihr Beachtung. Der Mariner sprang hinten auf den vollbesetzten Truppentransporter auf, der nun aus dem Lager rollte.
    Carrolson schüttelte verdutzt den Kopf. Sie war wie benommen vor Kummer und Zorn; jeder handfeste Gedanke wurde wieder erbrochen wie bei verdorbenem Magen. So ein Handicap konnte sie sich jetzt nicht leisten. Sie mußte scharf überlegen und Vasquez finden.
    Auf der anderen Seite des Lagers rollte gerade ein Zug aus dem erhöhten Bahnhof. Sie warf einen Blick auf die Uhr; planmäßiger Zwischenhalt um 14 Uhr in der vierten Kammer. Der Bahnsteig war leer; es wurden keine Züge für Truppentransporte eingesetzt, nur Lastwagen. Die Züge fuhren, als wäre nichts geschehen, automatisch ihre Strecke ab.
    »Herrje«, sagte sie, als ihr plötzlich einfiel, daß Vasquez hatte zur Bibliothek wollen. Welche Bibliothek hatte sie gemeint?
    Farley kam angerannt. »Invasion«, rief sie. »Fallschirmjäger, Russen, Kosmonauten, was immer. Sind schon in der ersten und zweiten Kammer gelandet. Landen auch hier.«
    »Hab’s gesehen«, sagte Carrolson. »Patricia ist zur Bibliothek. Wir müssen sie finden…«
    »Aber wie? Der Zug ist abgefahren. Der nächste kommt in einer halben Stunde. Einen Laster können wir nicht nehmen, die sind alle im Einsatz.«
    Carrolson war sich noch nie so hilflos und fehl am Platz vorgekommen. Mit geballten Fäusten starrte sie zur südlichen Kappe. Die meisten Fallschirme waren schon so tief, daß sie nicht mehr zu sehen waren.
     
    Patricia starrte auf den leeren Sitz vor sich und biß sich auf die Unterlippe. Der Zug war – Versehen oder Vorsehung – unbewacht.
    Seit dem Aufbruch von der Erde lebte sie in einem Traum. War es möglich, in einem Traum gefangen zu sein?
    Im Traum kannst du alles tun, sobald du herausbekommen hast, wie man lenkt, formt und regelt.
    Und die von Kreidestücken getroffenen Gleichungen…
    Wenn stimmte, was sie den Gleichungen entnommen hatte, dann existierte genau in diesem Augenblick irgendwo ein Ort – eine Kurve –, wo Vater in seinem Lehnstuhl saß und die Tiempos de Los Angeles las, und der Korridor führte dicht daran vorbei. Sie müßte nur nach der richtigen Tür suchen, dem richtigen Korridorabschnitt, und sie fände Rita und Ramon, Paul und Julia.
    Sie konnte

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