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Äon - Roman

Titel: Äon - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und verklingt, und die Gestalt verliert Substanz, zusammen mit dem Grab, den Häusern weiter hinten, den Felsen und Bäumen. Sebastian tritt vor und versucht, Nikolaus festzuhalten, aber er ist jetzt wirklich nur noch ein Schatten. Für einen Moment herrscht völlige Stille; selbst das Zirpen der Grillen und Zikaden verstummt. Dann erklingen andere Stimmen, und eine von ihnen …
     
    … gehörte Anna. »Um Himmels willen, helfen Sie uns!«, rief sie. »Bitte!«
    Sebastian lag noch immer neben der toten Marisa, die aus glasigen Augen gen Himmel starrte, und neben ihr hockte Krystek, der ihn wie fragend ansah, mit Überraschung und auch Enttäuschung in den dunklen Augen. Hinter ihm auf der Straße hatte ein Wagen angehalten, und Anna flehte den Fahrer um Hilfe an. Die Tür öffnete sich, und ein Mann in mittleren Jahren stieg aus.

    Der Druck auf Sebastians Gehirn hatte ein wenig nachgelassen, und der Körper gehorchte ihm wieder. Er rollte sich herum, schwang dabei den Arm, ballte die Faust und schmetterte sie Krystek ins Gesicht. Er nahm sich nicht die Zeit festzustellen, was sein Schlag bewirkte, stand auf, hielt nach der Pistole Ausschau und erinnerte sich daran, dass das Magazin leer war. Er wankte an Marisa und Krystek vorbei, torkelte mit steifen Beinen in Richtung Straße und spürte, wie ihm Zweige ins Gesicht schlugen.
    »Was ist passiert?«, hörte er den Fahrer des Wagens fragen. »Die Frau dort … Was ist mit ihr?«
    »Weg von hier!«, stieß Sebastian hervor. »Bringen Sie uns weg von hier!«
    Der Mann wich zurück, als er Sebastian näherkommen sah. Dann schaute er an ihm vorbei, riss die Augen auf, wirbelte herum und wollte zu seinem Wagen zurücklaufen. Er kam nicht weit. Hinter Sebastian war das Einrasten eines Magazins zu hören, und dann fiel ein Schuss, der den Mann im Rücken traf. Er fiel ohne einen Laut und blieb neben dem Wagen liegen, dessen Motor noch lief. Simon Krystek ging an Sebastian vorbei, schenkte auch Anna, die beide Hände vors Gesicht geschlagen hatte, keine Beachtung, und blieb neben dem Mann stehen, der jetzt leise stöhnte und zu seinem Wagen zu kriechen versuchte. Er zielte auf den Kopf und drückte zweimal ab; anschließend rührte sich der Mann nicht mehr.
    Krystek trat um den Wagen herum, öffnete auf der anderen Seite die Beifahrertür und auch die Tür zum Fond. »Wenn ich bitten darf …«, sagte er ruhig.
    Anna setzte sich sofort in Bewegung - ihr blieb ebenso wenig eine Wahl wie Sebastian, der ebenfalls einen Fuß vor den
anderen setzte, ohne es zu wollen. Er sah ihr tränenüberströmtes Gesicht, als sie neben Krystek stehen blieb, der ihn auf der anderen Seite der Limousine erwartete, noch immer mit der Pistole in der Hand. »Es kann nicht schaden, den Wagen zu wechseln«, sagte er. »Vielleicht sucht man nach dem anderen. Aber was eben geschehen ist …«
    Sebastian öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er brachte keinen Ton hervor.
    Krysteks Gesicht blieb ausdruckslos, als er die Pistole auf ihn richtete und schoss. Der Knall verlor sich irgendwie in dem Schmerz, der in Sebastians Brust explodierte und seinen ganzen Körper füllte, von den Zehenspitzen bis zu den Haaren. Es war ein heißer Schmerz, als hätte ihm jemand Dutzende von glühenden Kohlen in den Brustkasten gestopft. Er blinzelte, hörte Annas Schrei und merkte, dass er auf dem Boden lag, auf dem Rücken. Etwas floss aus ihm - Blut -, vom Herzschlag durch die Wunde gepresst, aber nicht lange, nur für zwei oder vielleicht drei Sekunden. Dann ließ das Brennen nach, und er konnte wieder atmen, füllte sich die Lungen gierig mit Luft. Langsam stand er auf und blickte an sich herab, sah das Loch im Hemd und darunter eine wunde Stelle, auf der sich bereits neue Haut bildete. Die Kugel in seinem Innern … Sie war in den einen Lungenflügel eingedrungen und löste sich bereits auf. Das Blut schwemmte von speziellen Enzymen zerlegtes Blei fort, und Sebastian wusste, dass er das Metall mit dem nächsten Urin ausscheiden würde.
    Dort stand er, nach einem Schuss mitten in die Brust, nur ein wenig geschwächt und keineswegs tot. Anna starrte ihn groß an.
    »Du bist einer von uns«, sagte Simon Krystek, und ein zufriedenes
Lächeln huschte über seine Lippen. »Aber wenn du dich noch einmal gegen mich wendest …« Er richtete die Pistole auf Anna, hielt ihr den Lauf an die Schläfe. »Dann töte ich diese Frau.«
    Kurze Zeit später saßen sie in der Limousine und setzten die Fahrt nach Paris

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